Zum Wiederaufbau der Moskauer Erlöserkirche

Isabelle de Keghel über Konstruktion und Repräsentation nationaler Identität im heutigen Russland. ///

 

 

 

 

Seit dem endgültigen Kollaps der kommunistischen Ideologie und des Sowjetimperiums ist sich Rußland seiner Identität unsicher geworden. Der Umbruch des politischen und wirtschaftlichen Systems hat eine Schwellensituation geschaffen, in der die alten Werte und Normen nicht mehr gelten, neue aber noch nicht gefunden sind. Dementsprechend fällt es den ehemaligen Sowjetbürgern schwer, sich in der fremden, unübersichtlichen postsozialistischen Welt zurechtzufinden. Für zusätzliche Verwirrung sorgt die Tatsache, daß zahlreiche Zukunftserwartungen sich nicht erfüllt haben. Die anfängliche Euphorie, der Systemwechsel werde alle Probleme aus sozialistischer Zeit gleichsam automatisch lösen, hat sich als Illusion herausgestellt. Das „Dilemma der Gleichzeitigkeit“ droht Rußland zu überfordern.1 Ob sich die Russische Föderation tatsächlich – wie von vielen in Ost und West zunächst erwartet – dem westlichen Modell angleichen wird, scheint unklarer denn je, zumal das potentielle Vorbild inzwischen selbst einem radikalen Wandel unterworfen ist. Auf diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, daß mit dem Umbruch das global stark verbreitete Gefühl der Unsicherheit und Zukunftsangst auch in Rußland Einzug gehalten hat. Erschwerend kommt in den Transformationsgesellschaften eine tiefgreifende lebensweltliche Verunsicherung hinzu: Mit dem Sozialismus ist zugleich die von ihm geschaffene „kulturelle Welt“ zusammengebrochen, die sich die „kleinen Leute“ unabhängig von ihren ideologischen Überzeugungen angeeignet hatten. Hierdurch wurde das bisher wirksame und selbstverständliche kulturelle Wissen in Frage gestellt. Um so größer ist in dieser Situation das Bedürfnis nach dem symbolischen Schutzraum einer nationalen Identität, der Geborgenheit und Halt in einer verunsichernden Welt bietet. Orientierungspunkte zu schaffen, um die sich die politisch wie sozial fragmentierte russische Gesellschaft zusammenschließen kann, erweist sich auf diesem Hintergrund als wichtige Herrschaftstechnik. Die Diskrepanz zwischen hochgespannten Wählererwartungen und realen politischen Möglichkeiten stellt die Regierungen der Transformationszeit vor Legitimitätsprobleme, die sie durch eine Politik der Identitäten zu entschärfen suchen.2 Eine solche Stabilisierungsstrategie in einer Zeit fundamentaler Umbrüche läßt sich am russischen Beispiel deutlich beobachten. 1996 hat Präsident El’cin einen hochoffiziellen Wettbewerb ausgeschrieben, der eine „neue russische nationale Idee“ hervorbringen soll – bislang freilich mit geringem Erfolg.3 Auf Bestellung läßt sich ein solches Konstrukt offensichtlich nicht anfertigen. Wirkungsvoller, wenn auch auf den ersten Blick weniger aufsehenerregend sind andere Prozesse, die schon seit Jahren auf die Entstehung einer neuen nationalen Idee hindeuten. In einem komplexen Diskurs4 des Nationalen wird über sie verhandelt und um Deutungsmacht gerungen. Da nationale Identität sich ganz entscheidend durch Herkunft definiert, kommt innerhalb dieses Diskurses Fragen der Geschichte eine Schlüsselposition zu.

Die Neukonstruktion des nationalen Gedächtnisses in der Russischen Föderation

Bereits seit einigen Jahren ist in Rußland eine Neukonstruktion des nationalen Gedächtnisses zu erkennen. In einem langen Selektionsprozeß entsteht ein revidierter Kanon von „schicksalhaften Ereignissen der Vergangenheit“, die als „Fixpunkte“ der Geschichtswahrnehmung präsentiert und durch einen gemeinsamen Interpretationsrahmen miteinander verbunden werden. Prioritäten und Wertungen haben sich dabei grundlegend verändert. Genauso wie die ostmitteleuropäischen Staaten, strebt auch die Russische Föderation nun eine „Rückkehr zur Geschichte“ der vorsozialistischen Zeit an. Während allerdings in Ostmitteleuropa die Zwischenkriegszeit Projektionsfläche aller Hoffnungen ist und als der letzte „gute Augenblick“ der Geschichte gilt, kommt diese Funktion in Rußland der ausgehenden Zarenzeit zu. Und anders als in den ostmitteleuropäischen Staaten wird die sozialistische Ära in der Russischen Föderation nicht pauschal als „diabolisch“ ausgegrenzt. Zwar distanziert man sich einerseits von zentralen innenpolitischen Ereignissen wie Revolution und Bürgerkrieg, Stalinschen Säuberungen und Bre_nevscher „Stagnation“. Zugleich werden aber Elemente der sowjetischen Geschichtstradition selektiv in das neue nationale Gedächtnis inkorporiert – vor allem solche, die außenpolitische Fragen betreffen. Kardinalbeispiel hierfür ist der Zweite Weltkrieg, der insbesondere für die ältere Generation noch immer Kernpunkt nationalen Selbstverständnisses ist.
Hier deutet sich bereits an, daß die Neukonstruktion des nationalen Gedächtnisses ein äußerst vielschichtiger Vorgang ist. Im vorliegenden Artikel soll daher nur ein Teilaspekt dieses Prozesses analysiert werden: der Versuch, die „lästige“ sowjetische Vergangenheit als reversibel darzustellen und zur „guten alten“ Zarenzeit zurückzukehren. Dieses Bestreben ergibt sich logisch aus der Überzeugung, man müsse die „Sackgasse“ Sozialismus verlassen und wieder „zum Ausgangspunkt zurücklaufen“. Die Bedingungen der vorsozialistischen Epoche sollen wiederhergestellt werden, als ob der Sozialismus nie existiert hätte. Diesem Zweck dienen zahlreiche Strategien, die alle auf die Idealisierung der Zarenzeit und die Stigmatisierung der sowjetischen Periode abzielen:5 Zum einen wurde die Erinnerungstextur von topographischen und institutionellen Bezeichnungen „gereinigt“, die das sowjetische Geschichtsbild im öffentlichen Bewußtsein verankern sollten: Zahlreiche Städte, Straßen, Metrohaltestellen und Institute erhielten ihre alten, vorrevolutionären Bezeichnungen zurück. Nicht weniger aufsehenerregend war die Beseitigung sowjetischer Gedächtnisorte aus der Erinnerungslandschaft: Denkmäler für Identifikationsfiguren der Sowjetzeit wurden von öffentlichen Plätzen entfernt. Diese Monumente verschwanden entweder völlig aus dem Stadtbild oder wurden räumlich ausgegrenzt, indem man sie – wie etwa in Moskau – in einen speziellen Park, gleichsam auf den „Schutthaufen der Geschichte“, verbannte. Ferner schafft die Renovierung verfallener Gebäude und die Rekonstruktion abgerissener Architekturdenkmäler eindringlich die Fiktion, man könne zumindest optisch in die vorrevolutionäre Zeit zurückkehren. Die Wirksamkeit dieser symbolischen Handlungen ist kaum zu überschätzen: Sie gestalten Gedächtnislandschaften, die den rekonstruierten historischen Horizont im Alltagsleben sichtbar machen und ständig auf das Bewußtsein der Gesellschaft einwirken.

Ein Fallbeispiel: Die Erlöserkathedrale

Konzentrieren wir uns nun ganz auf Moskau, das in den 90er Jahren durch ein umfassendes Rekonstruktionsprogramm von sich reden gemacht hat. Unter den zahlreichen Gebäuden, die in der Hauptstadt wieder aufgebaut worden sind, kommt der Erlöserkathedrale die größte ideologische Bedeutung zu. Sie kann momentan als einer der wichtigsten Inszenierungsorte des Nationalen in Rußland gelten: Von El’cin und anderen führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wird die Kathedrale als „Nationalheiligtum“6 und „Symbol der Wiedergeburt“ Rußlands7 bezeichnet. Seiner herausragenden Rolle entsprechend, befindet sich das Bauwerk mitten im Stadtzentrum – etwa einen Kilometer vom Kreml entfernt. Mit seinen fünf glänzenden Goldkuppeln und einer Höhe von etwa hundert Metern prägt es unübersehbar das Stadtbild, zumal das Gotteshaus exponiert am Ufer des Moskva-Flusses steht.
Der Erlöserkathedralen-Diskurs läßt wie in einem Brennglas die Selbstfindungs- und Selbstvergewisserungsprozesse einer Übergangszeit erkennen. Daher soll er im folgenden als Fallbeispiel für die Konstruktion und Inszenierung postsozialistischer Identität in Rußland analysiert werden. Vor allem interessieren dabei folgende Fragen: Wie und von wem wurde der Diskurs über das Gebäude angestiftet? Aus welchen Texten, Begriffen, Konzeptionen und Ritualen besteht er? Lohnend erscheint die Untersuchung des Erlöserkathedralen-Diskurses nicht nur wegen seiner gesellschaftlichen Relevanz, sondern auch wegen der besonderen Vielfalt seiner Formen und Mechanismen.
Da der Symbolgehalt der modernen Erlöserkathedrale sich ganz wesentlich aus Bezügen zu ihren Vorläufern im 19. und 20. Jahrhundert ergibt, soll zunächst ein kleiner historischer Exkurs diesen Referenzrahmen abstecken.

Zur Geschichte der Kathedrale

Bei der heutigen Erlöserkathedrale handelt es sich, wie bereits erwähnt, um eine Rekonstruktion.8 Das Original wurde im 19. Jahrhundert auf Anweisung von Zar Aleksandr I. als Gedächtniskirche für den russischen Sieg über Napoleon erbaut. Sie sollte die militärische Stärke und die Religiosität Rußlands versinnbildlichen. Schon damals kam dem Bauwerk also zentrale Bedeutung für die offizielle Selbstdarstellung Rußlands zu. Die Namensgebung dokumentierte den außergewöhnlichen Stellenwert der Kathedrale: Entgegen sonstigen Gepflogenheiten war das Gebäude nicht einem christlichen Feiertag oder einem Heiligen geweiht, sondern Christus dem Erlöser selbst. Anfangs wurde die Leitung des Projekts dem jungen Künstler Vitberg übertragen. Sein Entwurf war eine Hymne auf die heilige Trinität und bestand aus drei übereinandergeschichteten Kirchenräumen, die Körper, Geist und Seele symbolisieren sollten. Von allen Projekten, die am eigens ausgeschriebenen Architekturwettbewerb teilgenommen hatten, kam dieses den mystischen Neigungen des Zaren am stärksten entgegen. Als Standort für das nationale Symbol hatte Vitberg den höchsten Punkt Moskaus vorgesehen: die Sperlingsberge.
Nach Aleksandrs Tod ließ sein Nachfolger Nikolaj I. die Bauarbeiten einstellen, weil Vitbergs Konzeption nicht seinen Vorstellungen entsprach. Der Bauplatz der Kathedrale wurde an den heutigen Standort , also in größere Nähe zum Kreml verlegt. Die Lage war so gewählt, daß das Bauwerk die Zarenburg nicht durch allzu große Nähe erdrückte, aber andererseits doch ein architektonisches Ensemble mit ihr bildete. Die Bauleitung ging an den slavophilen Architekten Ton über, der seinen „neurussischen“ Stil als Rückbesinnung auf die russische Baukunst des Mittelalters verstand. Durch den Wechsel von der Romantik zum Empire verstärkte sich die patriotische Bedeutung der Kathedrale noch: Sie symbolisierte neben dem militärischen Triumph jetzt auch die Wiederentdeckung nationaler Traditionen und die Abwendung vom Westen. So wurde das Gotteshaus zu einem Sinnbild der nikolaitischen Ära, obwohl weder der Zar noch sein Baumeister die Vollendung der Kirche erlebten. Die Einweihung feierte man erst 1883 unter Aleksandr III. – nach etwa 44 Jahren Bauzeit.
Den Stürmen der Oktoberrevolution hielt das Gebäude zwar einigermaßen unbeschadet stand. 1931 ließ Stalin die Kirche jedoch als Wahrzeichen des vorrevolutionären, mit religiösen Vorurteilen behafteten Rußland sprengen9, um Platz für das zentrale Symbol der neuen Zeit zu schaffen: einen gigantischen Palast der Sowjets. Am Bauzaun prangte frei nach Marx die programmatische Aufschrift: „Anstatt der Pflanzstätte der Droge – ein Palast der Sowjets“. 10 Den Wettbewerb für den Repräsentativbau, an dem sich hochkarätige Architekten aus aller Welt beteiligten, gewann der sowjetische Baumeister Iofan. Auf der Grundlage seines Entwufes wurde das endgültige Projekt ausgearbeitet. Vorgesehen war ein turmartiges Gebilde, das zugleich als Podest für die gigantische Lenin-Statue an seiner Spitze diente. Mit einer geplanten Höhe von 420 m hätte der Bau selbst das Empire State Building überragt und so den Überlegenheitsanspruch des Sozialismus über die kapitalistische Welt dokumentiert. Am Fuß des kolossalen Bauwerks boten weitläufige Plätze eine ideale Kulisse für Massenaufmärsche.
Freilich wurden die hochfliegenden Pläne nie verwirklicht: Schon in einem frühen Stadium der Bauarbeiten bereitete die Statik Probleme, weil sich der sumpfige Boden unter der tonnenschweren Konstruktion ständig senkte. Bald wurden die technischen Schwierigkeiten ohnehin von Existenzfragen überlagert: Zwei Jahre nach Baubeginn überfiel Hitler-Deutschland die Sowjetunion. Material und Arbeitskräfte wurden nun dringend für die Landesverteidigung benötigt. Nach dem Krieg kamen die Arbeiten nur schleppend voran, und als Stalin gestorben war, gab man das Vorhaben ganz auf – vermutlich nicht nur aus technischen Gründen. Gefragt waren nicht mehr visionäre Entwürfe, sondern nüchtern-funktionale Bauten. Dieser Vorgabe entsprechend, errichtete man 1959-61 innerhalb der Kreml-Mauern einen Kongreßpalast für politische und kulturelle Großveranstaltungen, der im Vergleich zum ursprünglich geplanten Symbol des siegreichen Sozialismus fast bescheiden wirkte. Das inzwischen nutzlose Fundament für den Palast der Sowjets wurde in das riesige Freiluftschwimmbad „Moskva“ umgewandelt. So mutierte der nie gebaute Sowjetpalast zu einer Chiffre für die ehrgeizigen, aber nie verwirklichten Pläne einer sozialistischen Utopie. Das Projekt der Superlative endete mit einer Notlösung, einer Farce.11

Die Rückkehr der Kathedrale in das nationale Gedächtnis

Durch ihre Zerstörung wurde die Erlöserkathedrale für einige Jahrzehnte weitgehend aus dem kollektiven Gedächtnis ausgelöscht.12 Nur einige alte Moskauer konnten sich noch daran erinnern, wie die Kirche ausgesehen und daß sie überhaupt existiert hatte.
Die Rückkehr des Gotteshauses in das kollektive Bewußtsein begann Ende der 80er Jahre – mitten in der Perestrojka. Damals war die Diskussion um die Frage, wie die geplante Gedenkstätte für der Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg auf dem Verneigungshügel zu gestalten sei, in eine Sackgasse geraten. Da schlug der Künstler Mokrousov eine geradezu salomonische Lösung vor: Anstatt eines Neuentwurfs sollte die gesprengte Erlöserkathedrale wiederaufgebaut werden – zur Erinnerung an alle Soldaten, die seit 1812 für Rußland gefallen waren.13 Dieser Vorschlag lag insofern nahe, als bereits die alte Erlöserkathedrale Anfang des 20. Jahrhunderts von der Bevölkerung in ihrer symbolischen Bedeutung erweitert worden war: Während des russisch-japanischen Kriegs und des Ersten Weltkriegs hatten Angehörige die Namen von Gefallenen an die Wände der Kathedrale geschrieben – neben die marmornen Gedenktafeln für die Helden von 1812.14
Mokrousovs Modell der Erlöserkathedrale wurde im Rahmen der Wettbewerbsausstellung für den Verneigungshügel gezeigt und gewährleistete so eine erste Visualisierung des vergessenen Bauwerks. Insofern markiert dieser Vorgang eine wichtige erste Etappe in der Diskussion um die Erlöserkathedrale. Freilich war das eingereichte Projekt für die sowjetische Gedächtniskultur indiskutabel: In der atheistischen UdSSR konnte eine Kirche, zumal aus zarischer Zeit, niemals zu einem offiziellen Gedächtnisort aufrücken. Mokrousovs Modell wurde konfisziert, nach drei Tagen wegen Protesten von Ausstellungsbesuchern allerdings wieder freigegeben.
Dieser Vorfall machte die Öffentlichkeit auf das verschwundene Gebäude aufmerksam. Bald darauf bildete sich eine erste organisierte Gruppe, die für den Wiederaufbau des Gotteshauses eintrat: die „Gemeinde der Erlöserkathedrale“. Allerdings handelte es sich dabei noch um einen losen Zusammenschluß Gleichgesinnter, die keinerlei ideologische Rechtfertigung für ihr Anliegen entwickelten. Immerhin setzte die Gemeinde sichtbare Zeichen der Erinnerung: Sie kennzeichnete den früheren Standpunkt des Gebäudes mit einem Kreuz, vor dem sie an Wochenenden Gottesdienste abhielt. Ferner veranstaltete sie regelmäßig Prozessionen rings um das Schwimmbad „Moskva“.15
Breitere Resonanz fand das Thema „Erlöserkathedrale“ erst 1989, als es von national-patriotischen Kreisen aufgegriffen wurde. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Zeitung des Schriftstellerverbands der RSFSR, „Literarisches Rußland“, deren Redaktion erstmals einen massenwirksamen Meinungsaustausch über die Erlöserkathedrale inszenierte. Als Auslöser diente die Publikation eines Briefes, in dem der Provinzschriftsteller Sidorov den Wiederaufbau des Gebäudes als „GEDENKSTÄTTE FÜR DIE BEIDEN VATERLÄNDISCHEN KRIEGE“ – d.h. für die Feldzüge gegen Napoleon und Hitler – forderte. Bereits dieser frühe Text enhält wesentliche Argumente, mit denen das Bauprojekt auch in den folgenden Jahren gerechtfertigt wurde.16 Nach Ansicht Sidorovs gewährleistete die Rekonstruktion des Gebäudes 1) eine würdige Gestaltung des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg, 2) Buße für die Zerstörung des „natürlichen Aussehens der Hauptstadt“, 3) das Wiederanknüpfen an den „abgerissenen Faden unserer Tradition“ und 4) die Wiederherstellung moralischer Werte. Aus den letzten drei Punkten der Aufzählung war ein entschiedenes Abrücken von der Sowjet-Ära herauszulesen, die implizit als Kontinuitätsbruch und als Zeit des moralischen wie ästhetischen Verfalls gebrandmarkt wurde. In den nächsten Nummern veröffentlichte „Literarisches Rußland“ zahlreiche zustimmende Leserzuschriften zu diesem Appell17, die später als „eine Art Referendum“ für das Rekonstruktionsprojekt gewertet wurden.18 Schon die erste dieser insgesamt vier Leserbrief-Sammlungen war mit einem Logo illustriert, das die Umrisse der Erlöserkathedrale zeigte und den feststehenden Titel trug: „Dies ist ein Denkmal für die Ewigkeit“.19 Dieses Signet diente von nun an als Blickfang für jeden Artikel des „Literarischen Rußland“ über die Erlöserkathedrale. Durch jahrelange Wiederholung haben sich Bild und Text den Lesern in der Folgezeit sicherlich tief eingeprägt.
Erst nach diesem Vorspiel schaltete sich die eigentliche Hauptperson mit einem ausführlichen Artikel in die Diskussion ein: der bekannte Schriftsteller und engagierte Denkmalschützer Solouchin – eine Figur, die jahrelang die Kontroverse um die Erlöserkathedrale beherrschen sollte. Der Titel von Solouchins Beitrag: „Wenn die Straße nicht zur Kirche führt…“20 spielte – wie viele andere Texte der damaligen Zeit – auf einen Kultfilm der Perestrojka an: Tengiz Abuladzes „Reue“.21 Dieses kinematographische Meisterwerk ist nicht nur eine Abrechnung mit dem Stalinismus, sondern zugleich eine universelle Parabel über Diktatur und Vergangenheitsaufarbeitung. Seine Handlung kreist um die Problematik von Gedenken und Vergessen, von Schuld und Reue. In einer vielbeachteten Sequenz des Films fragt eine alte Frau nach dem Weg zu einer Kirche. Als sie erfährt, daß diese längst abgerissen worden ist, entgegnet sie verzweifelt: „Aber wenn die Straße nicht zur Kirche führt, was hat sie dann für einen Sinn?“ Dies dürfte mehr sein als eine vordergründige Anklage gegen die religionsfeindliche Politik der Sowjetunion, zu der auch das Schleifen von Gotteshäusern gehörte. Vielmehr klingt hier die Frage durch, ob ein Leben ohne Glauben nicht sinn- und ziellos ist. Dieses Motiv übernimmt Solouchin von Abuladze und stilisiert so die Erlöserkathedrale zum einem Symbol für Moral und Sinnstiftung. Zugleich klingt in diesem Zusammenhang bereits das Thema „Reue“ an, das sich in der Folgezeit zu einer zentralen Denkfigur der Wiederaufbau-Befürworter entwickeln sollte.
Solouchins Artikel ist für die Rückführung der Erlöserkirche in das kollektive Gedächtnis von doppelter Bedeutung. Erstens kommt ihm eine Katalysatorfunktion für die Visualisierung des Diskurses zu. Denn dieser Beitrag ist die wohl erste auflagenstarke sowjetische Publikation seit Jahrzehnten, die mit einem großen Foto der Erlöserkathedrale aufwartet. Hiermit reagierte das „Literarische Rußland“ auf vielfachen Leserwunsch. Zweitens ist Solouchins Artikel auch auf der Ebene der Textualisierung wegweisend, da er drei wichtige Elemente in die Debatte um die Erlöserkathedrale einführt: die Stilisierung des Gebäudes zum Nationalheiligtum, die Stigmatisierung seiner Zerstörung als „Schändung“ und die Konstruktion einer engen Beziehung zwischen der Erlöserkathedrale und der durch sie gestifteten Gemeinschaft. Indem Solouchin hierfür den Begriff des „Volkes“ wählt, der Zusammenhalt und Homogenität suggeriert, bietet er das Bauprojekt als Kristallisationspunkt von Geborgenheit und Wir-Gefühl an. Damit schafft er die Grundlage für eine der wichtigsten symbolischen Funktionen des Gebäudes.
Nach dieser vorbereitenden Pressekampagne ging „Literarisches Rußland“ einen Schritt weiter und gründete gemeinsam mit anderen national-patriotischen Blättern den „Fond für den Wiederaufbau der Erlöserkathedrale“.22 Daß dieses Ereignis am 29. September 1989 stattfand – am 150. Jahrestag der Grundsteinlegung für die Kirche -, sollte die enge Verbindung zwischen dem zerstörten Bauwerk und dem Rekonstruktionsprojekt signalisieren. Mit der Gründung des Fonds, zu dessen Vorsitzenden Solouchin gewählt wurde, war erstmals eine starke organisatorische Basis für das Bauprojekt geschaffen. Ihm gehörten national-patriotisch orientierte Schriftsteller, Wissenschaftler, Künstler, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Denkmalschutzvereine und militärisch-patriotische Organisationen an. In direkter Anknüpfung an Sidorovs Leserbrief brachten sie die Überzeugung zum Ausdruck, daß ihr Fond als Zentrum der „Gemeinschaftlichkeit“ (russisch: Sobornost‘)23 die „Völker Rußlands“ durch die „Wiedergeburt des historischen Gedächtnisses, ihrer moralischen Werte und ihrer Kultur“ vereinen werde. Wie unschwer zu erkennen ist, machten sie sich damit Solouchins Ziel zu eigen, die auseinanderstrebende russische Gesellschaft mit Hilfe der Kathedrale wieder zusammenzuführen. Zu diesem Zweck übernahmen sie den von ihm eingebrachten Volksbegriff und ergänzten ihn durch den Terminus der „Sobornost'“. Damit stellten sie sich in eine slavophil-orthodoxe Denktradition, die dem Ideal der Wahrheitssuche in gesellschaftlicher Harmonie verpflichtet ist.
Am Tag seiner Gründung verabschiedete der Fond ein Sendschreiben, das als zentraler programmatischer Text wichtige Elemente der bisherigen Erlöserkathedralen-Programmatik in komprimierter Form zusammenfaßte.24 Es sicherte Solouchin und seinen Mitstreitern auf Jahre hinaus die Deutungsmacht über das Bauvorhaben. In diesem Appell wird Traditionsbewußtsein zur Grundvoraussetzung für eine positive, von Ästhetik und Moral geprägte Zukunftsgestaltung erhoben. Respektvolles Gedenken an die Geschichte und an die Ahnen dient als Indikator für die Würde und Kraft eines „Volkes“. Der Volksbegriff wird hier vorwiegend im Sinne einer historischen Schicksalsgemeinschaft verwendet. Wo von der „multinationalen Heimat“ Sowjetunion die Rede ist, erscheint der Terminus im Plural, so daß auch die Nichtrussen deutlich in die gestiftete Gemeinschaft eingebunden werden. Mit der gebotenen Vorsicht entwickeln die Autoren des Sendschreibens ein Verständnis von Patriotismus, das vom politischen System und der innenpolitischen Situation des Landes losgelöst ist. Den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg führen sie nicht auf die Segnungen des Sozialismus zurück, sondern auf eine Rückwendung zu den Vorfahren, die trotz „der Tragödie des Bürgerkriegs und der sozialen Erschütterungen“ stattgefunden hat. Diese negative Charakteristik der sowjetischen Geschichte wird durch die Aufforderung an die Leser verstärkt, den Zustand der „Amnesie“ und den „Abgrund des Ungeistes“ zu verlassen. Moralischen Halt und Sinnstiftung in der verwirrenden Gegenwart verheißt das gemeinsame, vom Fond vorgegebene Ziel: der Wiederaufbau der Erlöserkathedrale und anderer Kulturdenkmäler. Denn konstruktives Handeln sei nur in der Gemeinschaft möglich: „Es ist die Zeit gekommen, die Steine zu sammeln, indem man das Volk sammelt“. Trotz dieser Anklänge an die Bibel bleibt der religiöse Aspekt des Unterfangens vorerst im Hintergrund. Es geht im Schreiben vordringlich um kulturelle, moralische und patriotische Werte. Die christlich gefärbten Stichworte der Reue und Buße, die in früheren Beiträgen gefallen waren, fehlen. Noch ist es wohl zu früh, einen religiösen Aufbruch zu proklamieren. Dementsprechend beschränkt man sich darauf, die Erlöserkathedrale zu einer „KIRCHE DES KAMPFESRUHMS UND DER NATIONALEN SPIRITUALITÄT“ zu stilisieren. Indem der Fond das Gebäude im Anschluß an Solouchin als „Nationalheiligtum“ bezeichnet, das „vom ganzen Volk geschaffen“ worden sei, weist er ihm eine zentrale Bedeutung für die russische nationale Identität zu.

Durch Solouchins Artikel und den Appell des „Fonds“ wurde die Rückkehr der Erlöserkathedrale in das kollektive Gedächtnis forciert. Parallel dazu war am früheren Standort der Erlöserkathedrale eine nachhaltige Visualisierung und Ritualisierung des Diskurses zu beobachten: 1990 wurde dort der Grundstein für eine Kapelle gelegt, die als Vorbote für den künftigen Wiederaufbau der Kathedrale fungieren sollte. Sie war der Ikone der Gottesmutter mit dem Beinamen „Die Mächtige“ gewidmet, die angeblich am Tag der Abdankung des letzten Zaren „gefunden“ wurde und nun an dessen Stelle das Russische Reich vor Unheil bewahren sollte.25 Eine zusätzliche Beziehung zwischen der Kapelle und der Zarenfamilie wurde dadurch hergestellt, daß man unter ihren Grundstein u.a. Erde von dem Ort streute, an dem das Ipat’ev-Haus gestanden hatte.26 Dort waren die Romanovs 1918 im sibirischen Ekaterinburg zuletzt festgehalten und schließlich erschossen worden.
Auch die Printmedien leisteten einen wichtigen Beitrag zur Rückkehr der Kathedrale in das kollektive Gedächtnis: Anläßlich des 60. Jahrestages ihrer Zerstörung erinnerten mehrere Artikel an die Geschichte der Kirche.27 Sie waren mit Fotos illustriert, die das Gotteshaus vor, während und nach der Sprengung zeigten. Vereinzelt wurden sie mit einem Bild des Schwimmbads „Moskva“ kontrastiert. Spätestens seit dem Jubiläumsjahr 1991 war das Gedenken an die Kathedrale nicht mehr auf nationalpatriotische Blätter beschränkt, sondern hatte sich auf ein breiteres Spektrum von Zeitschriften und Zeitungen ausgeweitet.28 Durch diese umfassende Textualisierung, Visualisierung und Ritualisierung des Diskurses wurde die Kathedrale zu einer „narrativen Abbreviatur“, d.h. zu einer „in Sprache eingelagerten“ Geschichte, „die nicht als solche erzählt (…), sondern als schon erzählte aufgerufen und kommunikativ verwendet“ wird.29 Sie gehörte jetzt zum abrufbaren Wissen der Gesellschaft, zum Kanon der erinnernswerten Ereignisse aus der nationalen Geschichte.

Bis aus der mentalen Rückführung der Erlöserkathedrale in das kollektive Gedächtnis eine reale Rückkehr des Gebäudes in das Moskauer Stadtbild wurde, sollten aber noch einige Jahre vergehen. Der Fond wandte sich zunächst erfolglos an verschiedene Regierungsinstitutionen, um den Wiederaufbau des Bauwerks zu erreichen.30 Parallel dazu entfaltete er eine umfassende Sammeltätigkeit. Zwar war nach einem Jahr immerhin eine Million Rubel auf das Spendenkonto eingegangen, für ein solches Großprojekt reichte die Summe jedoch bei weitem nicht aus.31 Ab 1992 verwandelte die galoppierende Inflation das gespendete Geld in einen wertlosen Haufen Papier, und die Realisierung des Vorhabens schien in unendliche Ferne gerückt.32

Der Wiederaufbau der Kathedrale

Als umsetzbar erwies sich das Projekt erst, nachdem sich die politischen Rahmenbedingungen nach dem Ende der Sowjetunion grundlegend verändert hatten. Nun begannen sich auch Spitzenpolitiker und die russisch-orthodoxe Kirchenführung dafür zu interessieren. Dies deutete sich bereits 1992 an, als El’cin dem Wiederaufbau der Erlöserkathedrale per Ukaz oberste Priorität einräumte.33 Der endgültige Durchbruch gelang 1994 mit dem Beschluß der Stadt Moskau, die Kathedrale wiederzuerrichten.34 Kurz darauf wurde der „Öffentliche Aufsichtsrat für den Wiederaufbau der Erlöserkathedrale“ gegründet.35 Solouchin und seine Mitstreiter hatten ihr Ziel erreicht: Aus dem Vorhaben war eine Haupt- und Staatsaktion geworden. Allerdings mußten sie dafür in Kauf nehmen, zu Statisten degradiert zu werden: Der „Aufsichtsrat“ beanspruchte die absolute Monopolstellung in der Vertretung des Wiederaufbauprojekts und zog die Deutungsmacht über die Erlöserkathedrale an sich. Obwohl Solouchin zum Vorstand des neuen Gremiums gehörte, war er für dessen Selbstverständnis nicht mehr federführend. Zu seinem Vorsitzenden wählte der „Aufsichtsrat“ „einmütig“ das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Aleksij II. Den Stellvertreterposten erhielt der ehrgeizige Moskauer Bürgermeister Lu_kov. Erwartungsgemäß gewährleistete er durch seine Protektion, daß die Kathedrale in einer Rekordzeit von drei Jahren wieder aufgebaut werden konnte. Weitere illustre Namen aus Politik, Kirche, Kunst und Wissenschaft verliehen dem „Aufsichtsrat“ das nötige Gewicht und Prestige. Mit den Deutungseliten änderten sich zugleich die Medien des Diskurses: Nachdem die Zeitung „Literarisches Rußland“ jahrelang die Argumentation für die Wiederherstellung der Erlöserkathedrale geprägt hatte, sorgten nun die Zeitschrift des Moskauer Patriarchats, Publikationen der Rußländischen Akademie der Künste sowie des Moskauer Bürgermeisteramts für deren weitere Ausarbeitung und Durchsetzung.

Ein Blick auf die zentralen programmatischen Erklärungen des „Aufsichtsrats“ und seiner führenden Köpfe macht deutlich, daß er das Gedankengut des „Fonds“ in seinen Grundzügen übernommen hat. Dies ergibt sich ebenso aus dem „Appell des öffentlichen Aufsichtsrats für den Wiederaufbau der Kirche Christi des Erlösers“ wie aus Reden Aleksijs II., El’cins und anderer führender Politiker.36 Durchgehend wird die tiefe Verbundenheit der Bevölkerung mit der Kathedrale hervorgehoben. Der „Aufsichtsrat“ bietet das Bauwerk nicht nur den Russen, sondern allen Einwohnern der Russischen Föderation – unabhängig von ihrer Nationalität – als Identifikationsobjekt an. Sogar Emigranten, die den Kontakt zu Rußland nicht verloren haben, dürfen sich als Teil der gestifteten Gemeinschaft fühlen. Dementsprechend ist der Appell des „Aufsichtsrats“ nicht an die „Russen“ gerichtet, sondern lautet: „Rußländer! Mitbürger! Landsleute!“ Ebenso bleibt der Anspruch bestehen, mit Hilfe der Kathedrale einen neuen Gemeinschaftssinn zu schaffen, der Orientierung in der verwirrenden Gegenwart bietet, konstruktives Handeln ermöglicht und Zukunftsoptimismus vermittelt.
Es läßt sich allerdings auch ein essentieller Unterschied zum Programm des „Fonds“ feststellen: Der Einfluß des Patriarchen und „Aufsichtsrats“-Präsidenten Aleksij macht sich insofern bemerkbar, als nun der religiöse Aspekt sehr viel stärker betont wird. Die Kathedrale soll die Renaissance des Christentums in Rußland versinnbildlichen: Für den Vorsitzenden des Föderationsrats ‹umejko ist das Bauwerk ein „Symbol für die Wiedergeburt der großen christlichen Werte in unserem Bewußtsein“37 . Patriarch Aleksij bezeichnet die Kathedrale als „Zeichen der Hoffnung (…) für die Völker, die Gott verlassen hatten, aber nun zu Ihm zurückkehren“38. Am Ende seines Appells bittet der „Aufsichtsrat“ Gott um Hilfe für den Wiederaufbau der zerstörten Kirche. Die stärkere religiöse Ausrichtung des neuen Gremiums ermöglicht es, jetzt auch die Motive der Reue und Buße aufzugreifen, die der „Fond“ ausgeklammert hatte. Der Wiederaufbau des Gebäudes soll zu einem Akt der „spirituellen Läuterung“ werden und gilt auch in einem allgemeineren Sinn als der „Weg, der zur Kirche führt“. Die Bibelpassage, auf die sich bereits das Sendschreiben des „Fonds“ implizit bezogen hatte, wird im Appell ausführlich und mit Quellenangabe zitiert: „‚Ein jegliches hat seine Zeit‘, sagte der Prediger Salomo, ‚… töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit…; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit'“ (Pred. 3,1.3.5). Anhand dieser Bibelstelle wird zwischen UdSSR und Russischer Föderation eine Antithese mit stark wertendem Charakter aufgebaut: Während die Sowjetunion Tod, Krankheit und Zerstörung bedeutet, steht das postsozialistische Rußland für Wiederaufbau und Heilung. Hier ist das endgültige Abrücken von der sowjetischen Tradition unverkennbar.
Eine weitere Innovation des „Aufsichtsrats“ besteht darin, daß die Kirche nicht nur als „National-„, sondern auch als „Staatsheiligtum“ bezeichnet wird, dessen Rekonstruktion eine „Heldentat“ sei39. Die Kathedrale soll also nicht mehr nur als Identifikationsobjekt für die gesamte russische Gesellschaft dienen, sondern auch als Instrument staatlicher Selbstdarstellung. Ausdruck dieses Wandels ist, daß bereits kurz nach Baubeginn eine 300-Rubel-Briefmarke mit dem Kathedralenmotiv herausgebracht wurde und daß man die Kirche lange vor ihrer Fertigstellung in das offizielle Besuchsprogramm für Staatsgäste des Kreml aufnahm.40 Alle wesentlichen Bestandteile des Erlöserkathedralen-Mythos finden sich inzwischen im meistbenutzten Geschichtslehrbuch für die unteren Schulklassen, wo dem Bauwerk ein eigenes Kapitel gewidmet ist.41
Soweit zur Textebene des Diskurses. Seine Visualisierung erreichte mit der Schließung des Freibads „Moskva“ und dem weitgehend originalgetreuen Wiederaufbau der Erlöserkathedrale in den Jahren 1994-97 ihren Höhepunkt. Hierdurch wurde der Bruch, den die Zerstörung bedeutet hatte, weitgehend verwischt.42 Bewußt entschied man sich gegen alternative Gestaltungsprojekte: Der Künstler Seliverstov hatte vorgeschlagen, am ehemaligen Standort des Gotteshauses nur eine kleine Kapelle zu errichten und diese mit einem Drahtmodell der Kathedrale in Originalgröße zu umgeben.43 Ein solches Kunstwerk hätte die Erinnerung sowohl an das zerstörte Gebäude als auch an seine Zerstörung wachgehalten. Jetzt nimmt ein Museum im Untergeschoß der wiedererrichteten Kathedrale diese Funktion wahr44 – allerdings erheblich weniger offensichtlich. Denn ein zufälliger Passant ahnt angesichts der pompösen Kathedrale nichts von der bewegten Geschichte des Ortes.
Mit dem Wiederaufbau des Gebäudes setzte zugleich eine intensive Ritualisierung ein. Ihr auffälligstes Kennzeichen war die möglichst starke Anlehnung an symbolische Handlungen, die beim Bau der urprünglichen Kathedrale vollzogen worden waren. Hierdurch wurde die Fiktion verstärkt, die Uhr könne zurückgedreht, die Zerstörungen der Vergangenheit könnten ungeschehen gemacht werden. Dieses Phänomen war vor allem im Zusammenhang mit der Grundsteinlegung zu beobachten: Datum der Zeremonie, Aussehen und Inschrift des Grundsteins, Gestaltung und Aufschrift der Sondermünze zur Grundsteinlegung reproduzierten möglichst genau ihre Vorbilder aus dem 19. Jahrhundert.45 Ansatzpunkte für eine möglichst intensive Ritualisierung wurden dadurch geschaffen, daß man den Wiederaufbau der Kathedrale in kleinschrittige Etappen unterteilte. So gab es mehrmals im Jahr – bevorzugt an hohen kirchlichen Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten – Anlaß zu besonderen Feierlichkeiten. Nach jedem größeren Arbeitsschritt fanden Festgottesdienste auf dem Baugelände statt, die Patriarch Aleksij persönlich in Anwesenheit von Prominenz aus dem politischen und kulturellen Leben abhielt.46 Da die Medien regelmäßig von diesen Ritualen berichteten, prägte sich der Wiederaufbau des Gotteshauses tief in das öffentliche Bewußtsein ein. Dieselbe Wirkung ging von wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen aus, die wiederholt in der noch unfertigen Kathedrale stattfanden: Berühmte Künstler, u.a. der weltbekannte Cellist und Dirigent Mstislav Rostropovi(tm), veranstalteten dort exklusive Wohltätigkeitskonzerte zur Finanzierung des Bauvorhabens. 47 An gleicher Stelle wurde der verstorbene Präsident des „Fonds für den Wiederaufbau“, Vladimir Solouchin, im April 1997 mit einer Totenmesse geehrt48.
Den vorläufigen Höhepunkt der Ritualisierung bildete die Einweihung der Kathedrale am 6. September 1997 im Rahmen des 850. Stadtjubiläums von Moskau. Zu diesem Anlaß sang ein riesiger, 2000köpfiger Chor geistliche und patriotische Lieder sowie eine eigens komponierte „Hymne an die wiederauferstandene Kathedrale“.49 Der Innenausbau und die künstlerische Ausgestaltung des Gotteshauses stehen noch aus. Mit dieser Aufgabe wurde die rußländische Akademie der Künste unter der Leitung ihres Präsidenten Il’ja Glazunov betraut, der bereits in der Perestrojka mit mystischen Historiengemälden Furore gemacht hatte. Auch die Arbeiten seines Stellvertreters Zurab Cereteli werden das Aussehen der Kathedrale entscheidend prägen. Dieser hat als Lu_kovs „Hofkünstler“ bereits das Siegesmonument auf dem Verneigungshügel, das gigantische Denkmal für Peter den Großen und mehrere andere bombastische Objekte im Zentrum Moskaus gestaltet.50
Die endgültige Fertigstellung und Einsegnung des Gotteshauses ist für das Jahr 2000 vorgesehen. Dann wird das Landeskonzil der russisch-orthodoxen Kirche dort beraten. Auf der Agenda steht u.a. die endgültige Klärung der Frage, ob die letzte Zarenfamilie heiliggesprochen werden soll.51

Die symbolischen Bedeutungen der Kathedrale: Repräsentation des Nationalen

Während die bisherige Analyse versucht hat, die Mechanismen des Diskurses herauszuarbeiten und den Bezugsrahmen der Erlöserkathedrale in seinem Entstehungsprozeß nachzuzeichnen, sollen die symbolischen Bedeutungen der Kathedrale jetzt in einem zweiten Schritt systematisch dargestellt und kontextualisiert werden. Denn erst dieser umfassende Referenzrahmen hat es möglich gemacht, die Kathedrale in das kollektive Gedächtnis zurückzuholen und sie fest im öffentlichen Bewußtsein zu verankern.

Sein Doppelbezug zur ursprünglichen Erlöserkathedrale und zum Palast der Sowjets verleiht dem Kirchenneubau einen überaus komplexen Symbolgehalt.
Erstens dokumentiert das Gebäude als Wahrzeichen militärischer Stärke den russischen Großmachtanspruch. Immerhin erinnert die Gedächtniskirche an den Triumph über Napoleon, dessen Bedeutung im russischen kollektiven Bewußtsein nur noch vom Sieg über Hitler-Deutschland übertroffen wird. Wie zur Sowjetzeit, so heben sich auch im postsozialistischen Rußland beide Feldzüge durch ihre Sonderbezeichnung als „Vaterländischer“ bzw. „Großer Vaterländischer Krieg“ merklich von allen anderen ab. Da sie das Land gegen fremde Aggressoren verteidigt und eine tödliche Bedrohung von ihm abgewendet haben, sind sie über jeden moralischen Zweifel erhaben und lassen sich unbedenklich feiern. Hinzu kommt, daß beide Kriege trotz ihres ursprünglich defensiven Charakters die russischen Truppen weit über die Landesgrenzen hinausgeführt haben. Das Ergebnis war eine erhebliche Ausweitung des russischen Einflußbereichs und ein enormer Macht- und Prestigezuwachs für Rußland, das sich nun als Befreier Europas präsentieren konnte. In Zeiten, wo der Großmachtstatus Rußlands in Frage gestellt ist, wird diese Erinnerung besonders gern gepflegt. So erweist sich die Erlöserkathedrale als ideales Pendant zum anderen großen Geschichtsdenkmal der Hauptstadt, das sie ursprünglich hatte ersetzen sollen: zur Gedenkstätte für den Sieg der UdSSR im Zweiten Weltkrieg auf dem Verneigungshügel, die 1995 nach jahrzehntelangen Diskussionen eingeweiht werden konnte.
Zweitens symbolisiert die Erlöserkathedrale Rußlands Rückkehr zu religiösen Werten und die Annäherung von Kirche und Staat. Den Initiatoren des Rekonstruktionsprojekts gilt das Vorhaben als Ausgangspunkt einer landesweiten christlichen Renaissance. Dementsprechend setzte sich der „Fond für den Wiederaufbau“ in seinem Statut zum Ziel, nicht nur die Erlöserkathedrale wiederzuerrichten, sondern darüber hinaus den Wiederaufbau und die Restaurierung von Kirchen und Klöstern im ganzen Land zu fördern.52
Dieser Anspruch des Fonds hat insofern einen durchaus realen Hintergrund, als Rußland seit dem Millenium seiner Taufe 1988 von einem religiösen Aufbruch erfaßt worden ist. Nur wenige Jahre nach dem Ende der atheistischen Sowjetunion bekennen sich derzeit (1997) etwa 60 % der Bevölkerung zum orthodoxen Glauben.53 Die Kirche erhielt vom Staat zahlreiche Gotteshäuser zurück, deren Renovierung zu einem sichtbaren Zeichen des Wandels wurde. Ferner durfte sie die ihr bisher streng verbotene karitative Tätigkeit wieder aufnehmen. Zahlreiche Indizien weisen darauf hin, daß sich die russisch-orthodoxe Kirche seit dem Ende der Sowjetunion zunehmend zur Staatskirche entwickelt, auch wenn sie dies energisch bestreitet. Gemeinsame Auftritte von Präsident El’cin und Patriarch Aleksij sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Im Ausland vertreten hohe kirchliche Würdenträger häufig die außenpolitische Linie der russischen Regierung, und innenpolitisch geht die Zusammenarbeit zwischen Staat und Orthodoxie so weit, daß die Kirche inzwischen seelsorgerische Aufgaben in der Armee übernommen hat. Die russischen Raketenstreitkräfte und das Raumfahrtprogramm wurden bereits unter den Schutz russisch-orthodoxer Heiliger gestellt. Seitdem es zum guten Ton gehört, sich zum Christentum zu bekennen, tragen Politiker ihre Religiosität offen zur Schau und bemühen sich, wichtigen politischen Veranstaltungen durch die Anwesenheit des Klerus zusätzlichen Glanz zu verleihen. Die Kirche wiederum ist dankbar, als moralische Autorität gefragt zu sein, nachdem ihre Integrität durch Berichte über ihre Verstrickung mit dem KGB erschüttert ist und sie sich unter den ungewohnten Bedingungen der Religionsfreiheit mühsam gegen Westkirchen und Sekten behaupten muß.54 Inzwischen verspricht ihr ein neues Religionsgesetz, das die russisch-orthodoxe Kirche gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften massiv privilegiert, wirksamen Schutz gegen die unliebsame Konkurrenz.
Drittens hat die Kathedrale angesichts der zunehmenden Fragmentierung der russischen Gesellschaft die wichtige Aufgabe, Kristallisationspunkt nationaler Identität zu sein und dadurch Gemeinschaft zu stiften. Zu diesem Zweck wird sie mit dem Volks- und dem Sobornost‘-Begriff verknüpft. Das Konstrukt des „Volkes“ ist deshalb eine besonders geeignete Identifikationsgemeinschaft, weil es als abstraktes Symbol über die einzelnen Sozialgruppen hinausweist und in seiner Struktur nicht näher bestimmt werden muß. Es suggeriert Gleichheit, Homogenität und Zusammenhalt. Diese Züge machen den Volksbegriff auf dem Hintergrund sozialer Segregation und politischer Polarisierung zu einem emotional wirksamen Identitäts- und Gemeinschaftsangebot.
Während der Terminus des „Volkes“ nationale Zugehörigkeit signalisiert, verweist der Sobornost‘-Begriff auf eine religiöse Gemeinschaft. Er ist vom russischen Terminus für Synode bzw. Versammlung, „sobor“, abgeleitet und bezeichnet bei den klassischen Slavophilen ein ekklesiologisches Prinzip: die „auf mystischer Einigung beruhende Gemeinschaftlichkeit als Seinsprinzip der Kirche“.55 Im Erlöserkathedralen-Diskurs vermittelt dieser altmodisch-feierliche Ausdruck die Gewißheit, durch das Bauprojekt lasse sich auf religiöser Grundlage ein gesellschaftlicher Konsens schaffen, der auch gemeinsame moralische Werte umfaßt – so jedenfalls der Anspruch. Nationales und christliches Denken soll die russische Gesellschaft wieder zusammenschweißen.
Zusätzlich wird diese Fiktion eines einigen Rußland durch den Mythos unterstützt, die alte wie die neue Erlöserkathedrale sei durch Spenden der breiten Bevölkerung ermöglicht worden, obwohl diese Finanzierungsquelle in beiden Fällen nicht als die entscheidende gelten kann. Mit großem Aufwand wurde das Bauwerk so zu einer „Sache des gesamten Volkes“ stilisiert. Bereits 1989 rief der Erlöserkathedralen-Fonds dazu auf, jeder möge „sein Scherflein“ zum Bau beitragen.56 Die Zeitung „Literarisches Rußland“ richtete daraufhin eine ständige Rubrik mit Spenderlisten ein.57 Unter dem Titel „Für die Wiedergeburt der Kathedrale“ informierte das Blatt über die Namen von Spendern und die Höhe der von ihnen zur Verfügung gestellten Beträge. Vereinzelt ergänzte es diese Angaben durch Hinweise zu Motivation und Selbstverständnis der Geldgeber, die diese in Leserbriefen oder auf der Rückseite von Überweisungsformularen artikuliert hatten. Bevorzugt wurden Spender kleinerer Beiträge aufgeführt, was das Wiederaufbauprojekt als Angelegenheit der „kleinen Leute“ kennzeichnen sollte. Daß die Listen keinerlei hierarchisches Ordnungsprinzip aufwiesen, unterstrich den „demokratischen“ Charakter des Unternehmens. Demonstrativ erklärte ein Vertreter des Finanzierungsfonds für den Wiederaufbau: „Für uns (…) ist jeder Beitrag wertvoll, unabhängig von seiner Größe.“58 Nur selten war von den Millionensummen die Rede, mit denen sich russische Geschäftsleute ein repräsentatives Andenken in der Kathedrale zu sichern suchten. Über sie wurde nie in der traditionellen Spenderrubrik, sondern stets separat berichtet. Offensichtlich versuchte man, ihre Rolle herunterzuspielen. Nach der Auflösung des „Fonds“ legte auch der „Aufsichtsrat für den Wiederaufbau der Erlöserkathedrale“ großen Wert darauf, die Unterstützung der breiten Bevölkerung für das Bauvorhaben zu inszenieren: Es wurde eine vollständige Kartei aller Spender erstellt, und jeder von ihnen erhielt eine persönliche Dankesurkunde mit dem Segen des Patriarchen. Im provisorischen Kathedralen-Museum am Rande der Baustelle lag ein Spendenbuch aus, in dem man seine Beweggründe für die finanzielle Förderung des Projekts darlegen konnte.
Die bisher genannten symbolischen Funktionen der neuen Erlöserkathedrale – Denkmal nationalen Kriegsruhms, russischer Religiosität und nationaler Einheit zu sein – knüpfen an die ihres Vorbilds an, wenn sie sich durch den veränderten historischen Kontext auch stark gewandelt haben. Darüber hinaus bietet der Neubau aber eine vierte Bezugsebene, die das Original naturgemäß nicht haben konnte: Er versinnbildlicht eine entschiedene Distanzierung von der Sowjetära. Denn mit dem Bauprojekt wollen seine Fürsprecher an die vorrevolutionäre Zeit anknüpfen. Das nostalgisch verklärte „Rußland, das wir verloren haben“59, soll wieder auferstehen. Die Initiatoren des Wiederaufbaus beanspruchen, die „verlorene Verbindung zwischen den Zeiten wiederherzustellen“, d.h. den totalen Bruch mit der Vergangenheit zu kitten, den die Revolution mit sich gebracht habe. Stolz verweisen sie darauf, sie seien „keine Ivans, die ihre Wurzeln nicht kennen“.60 Daß ein solches Verständnis von Traditionsbewußtsein wieder einen Bruch bedeutet – diesmal mit der sowjetischen Vergangenheit -, ist den Protagonisten nicht bewußt.
Vordergründig wird mit der Schließung des Schwimmbads „Moskva“ und dem Wiederaufbau der Erlöserkathedrale eine wichtige Erinnerung an die Sowjetzeit ausradiert. Sieht man jedoch genauer hin, dann spielt die ausgegrenzte historische Tradition immer noch eine wichtige Rolle, sind doch die positiven Konnotationen der Kathedrale ohne die Negativfolie der sowjetischen Geschichte nicht vorstellbar. Diese Antithese hat viele Facetten: Dadurch, daß das postsozialistische Rußland in atemberaubender Geschwindigkeit die von den Bolschewiki gesprengte Kathedrale wiederaufbaut, profiliert es sich als konstruktive Kraft gegenüber der rein destruktiven Sowjetunion. Zugleich feiert es auf diese Weise einen symbolischen Sieg über die hochfliegenden Pläne einer sozialistischen Utopie, die ebensowenig realisiert wurde wie ihr Wahrzeichen, der Sowjetpalast. Im Verständnis der Wiederaufbau-Befürworter diskreditiert dieser Fehlschlag den Sozialismus als eine Kraft, die zwar zur „barbarischen“ Zerstörung der alten Welt fähig war, aber nicht zum Aufbau einer neuen. Da die Sprengung der Kathedrale gleichsam stellvertretend für alle Zerstörungen der Sowjetzeit steht, lassen sich aus ihrer Rekonstruktion auch grundsätzliche Hoffnung und Zuversicht für den Wiederaufbau des Landes nach dem Kommunismus schöpfen.61 Darüber hinaus hat die Erlöserkathedrale die Aufgabe, die moralische Überlegenheit des postsozialistischen Rußland über die Sowjetunion zu demonstrieren. Offiziell gilt ihre Wiedererrichtung als Akt der „spirituellen Läuterung“ und der „Buße“ für die Sünden der Sowjetzeit, der zu einer sittlichen Erneuerung und zu einem kulturellen Aufschwung des Landes führen soll.62 Mit der Erlöserkathedrale wird also ein durchaus ungewöhnliches Identifikationsangebot verknüpft: Das Andere, von dem man sich abgrenzt, ist nicht eine fremde nationale, religiöse oder kulturelle Gemeinschaft, sondern die eigene sozialistische Vergangenheit.

Trotz der aufwendigen ideologischen Rechtfertigung des Wiederaufbaus darf man nicht übersehen, daß dieser auch ganz pragmatische Gründe hat. Für Lu_kov war dieses Bauvorhaben ein Prestigeobjekt, das er hervorragend zu seiner Profilierung nutzen konnte. In seinem Buch „Moskau, wir sind Deine Kinder“ – einer Mischung aus Autobiographie und Hommage an die Hauptstadt – präsentiert Lu_kov die Erlöserkathedrale und andere Großbauprojekte der letzten Jahre stolz als Zeugnis der positiven Veränderungen, die er in Moskau erreicht hat.63 So könnte sich die Erlöserkathedrale als Sprungbrett Lu_kovs für den Präsidentschaftswahlkampf erweisen.
Dem Patriarchen bietet das Gotteshaus eine repräsentative Residenz, Räume für den Heiligen Synod und einen riesigen Saal für kirchliche Großveranstaltungen.64 Nachdem Aleksij II. die Kathedrale im Spätsommer 1994 zur Hauptkirche Moskaus gemacht hat65, ist das geistliche Zentrum des Landes in die Nähe seines weltlichen Pendants, des Kreml, gerückt.

In einem wichtigen Punkt stößt die Untersuchung an ihre Grenzen: Da ein Denkmal stets offizielle Selbstdarstellung ist, sagt eine Analyse seines Symbolgehalts noch nichts darüber aus, ob dieses Identifikationsangebot akzeptiert und verinnerlicht worden ist. Ohne repräsentative Umfragen läßt sich diese Frage nach der Rezeption nicht definitiv beantworten. Fest steht immerhin, daß der Wiederaufbau der Erlöserkathedrale nur bei einer Minderheit auf ein kritisches Echo gestoßen ist. Zudem galten die meisten Einwände nicht dem Symbolcharakter des Gebäudes, sondern praktischen Problemen, finanziellen und künstlerischen Fragen. Allenfalls wurde bemängelt, der Neubau versinnbildliche einen Zustand der moralischen Läuterung und religiösen Renaissance, den die Gesellschaft noch längst nicht erreicht habe. Vereinzelt regte sich Kritik wegen der Bezüge des Gebäudes zur Periode der Reaktion unter Zar Nikolaj I. Einige Journalisten äußerten den Verdacht, die Kathedrale diene vorwiegend dazu, den Ruhm des Bürgermeisters zu mehren.66 Prinzipiell wurden die nationalen und religiösen Werte, die das Gebäude verkörpern soll, jedoch nicht in Frage gestellt.

Insgesamt kann die Erlöserkathedrale also zumindest vorerst als geglücktes Experiment nationaler Repräsentation gelten. Sie fügt sich gut in den „patriotischen Konsens“ ein, der die russische Gesellschaft seit 1992 verbindet.67 Insofern hat sich die Strategie von Staats- und Kirchenführung bewährt, ein von national-patriotischen Deutungseliten ausgearbeitetes ideologisches Konstrukt zu übernehmen und religiös zu überhöhen. Die meisten Identifikationsangebote der Erlöserkathedrale können in der russischen Gesellschaft mit breiter Resonanz rechnen: Einerseits versinnbildlicht das Gebäude nationale Größe und Einheit, andererseits vermittelt es die Fiktion, man könne die Spuren der sowjetischen Geschichte beseitigen und in die nostalgisch verklärte vorrevolutionäre Zeit zurückkehren. Nur die religiöse Bedeutungsebene könnte sich als problematisch erweisen, da sie zwar russisch-orthodoxe Christen anspricht, aber nicht die Mitglieder der zahlreichen anderen Glaubensgemeinschaften in Rußland.
Ein weiteres Defizit dieser Inszenierung des Nationalen wird deutlich, wenn man Moskau aus der Vogelperspektive betrachtet: Die Erlöserkathedrale ist weiträumig von sieben gigantischen Hochhäusern im stalinistischen „Zuckerbäckerstil“ umgeben, die am Rand des Moskauer Stadtkerns eine sternförmige Komposition bilden. Als Krönung und Mittelpunkt dieser architektonischen Konzeption war ursprünglich der Sowjetpalast vorgesehen.68 Stattdessen steht nun das Symbol des neuen, antikommunistischen Rußland im Zentrum der Stalinschen Stadtplanung – eine Ironie der Geschichte… und Grund genug zu der Annahme, daß sich letztlich doch eine russisch-sowjetische Mischidentität durchsetzen wird. Denn die beanspruchte Rückkehr in die Zarenzeit ist nicht mehr als eine Illusion.
Erstmals erschienen in: Beate Binder / Wolfgang Kaschuba / Peter Niedermüller (Hrsg.): Inszenierung des Nationalen: Geschichte, Kultur und die Politik der Identitäten am Ende des 20. Jahrhunderts, Köln / Weimar / Wien 2001, S. 211-232. Wiederveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Herausgebers.

Abkürzungen für die benutzen Periodika:

JCH = Junyj chudo_nik, LG = Literaturnaja gazeta, LR = Literaturnaja Rossija, MN = Moskovskie novosti, MK = Moskovskij komsomolec, MP = Moskovskaja pravda, Ni_ = Nauka i _izn‘, NN = Na_e nasledie, NV = Novoe vremja, OE = Osteuropa, RG = Rossijskaja gazeta, RV = Rossijskie vesti, Vi_ = Voenno-istori_eskij _urnal, _MP = _urnal Moskovskoj Patriarchii

1 C. Offe, Das Dilemma der Gleichzeitigkeit, Demokratisierung und Marktwirtschaft in Osteuropa, in: Merkur 4. 1991, S. 279-291.
2 Zur Politik der Identitäten in den postsozialistischen Transformationsgesellschaften vgl. P. Niedermüller, Zeit, Geschichte, Vergangenheit. Zur kulturellen Logik des Nationalismus im Postsozialismus, in: Historische Anthropologie 2. 1997, S. 245-267.
3 A. Ignatow, Nabelschau auf allerhöchste Anweisung. Der Wettbewerb um die „neue russische nationale Idee“ tritt in die zweite Phase ein, in: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Aktuelle Analysen 18. 1997, S. 1-6.
4 Vgl. M. Foucault, Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt a.M. 1991. M. Titzmann, Kulturelles Wissen – Diskurs – Denksystem. Zu einigen Grundbegriffen der Literaturgeschichtsschreibung, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 1. 1989, S. 47-61.
5 Ch. Giordano, Historizität statt Modernisierung? – Reflexionen über die Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa, in: Ch. Brombach / A. Nebelung (Hg.), Zwischenzeiten und Seitenwege – Lebensverhältnisse in peripheren Regionen. Andreas Bodenstedt zum 60. Geburtstag, Münster / Hamburg 1994, S. 217-232, hier S. 221.
6 Der „Öffentliche Aufsichtsrat“ bezeichnet das Gebäude ohne Hinweis auf nationale Zugehörigkeit als „Nationalheiligtum“: Obra__enie Ob__estvennogo nabljudatel’nogo Soveta po vossozdaniju Chrama Christa Spasitelja, in: LR v. 7.10.94, S. 1. Als „rußländisches Nationalheiligtum“ firmiert sie in den Dankesurkunden für Spenden zur Unterstützung des Bauprojekts und in einer Rede des Duma-Vorsitzenden Rybkin vom 7.9.1994 (Exponate des Kathedralen-Museums). El’cin spricht in seiner Rede an den „Öffentlichen Aufsichtsrat“ vom 6.9.94 als einziger von einem „russichen Nationalheiligtum“ B. El’cin, Obra__enie Prezidenta Rossijskoj Federacii k _lenam Ob__estvennogo nabljudatel’nogo soveta po vossozdaniju Chrama Christa Spasitelja, in: RG v. 7.9.94, S. 3. Diese Wortwahl ist insofern ungeschickt, als sie die nichtrussischen Nationalitäten ausklammert: Während das Adjektiv „russisch“ („russkij“) die nationale Zugehörigkeit markiert, bezieht sich der Terminus „rußländisch“ („rossijskij“) auf das Territorium, umfaßt also alle Bewohner Rußlands unabhängig von ihrer Nationalität.
7 Patriarch Moskovskij i Vseja Rusi Aleksij II., Nyne k Nemu vozvra__aemsja, in: JCH 6. 1996, S. 2. Dieselbe Formulierung benutzt Metropolit Juvenalij in: A. Korolev, Trudnaja doroga k chramu, in: Trud v. 28.12.94, S. 3. So z.B. auch der Vorsitzende des Föderationsrats, V. ‹umejko, in einer Rede vom 5.9.1994, die im Museum der Kathedrale aushängt.
8 Grundlegend zur Geschichte der Erlöserkathedrale: K. Schlögel, Moskau lesen, Berlin 1984, S. 60-62. Ferner: A. Ivanov, „Pod klju_? Net, pod krest!“, in: LR v. 22.9.89, S. 10f. I. Cvetkova, Vo imja Christa Spasitelja, in: _MP 6. 1992, S. 17f. M. _ilkina, Chram Christa Spasitelja, in: _MP 1. 1996, S. 38-47. A. Butorov, Kakim byl Chram, in: JCH 6. 1996, S. 5-19.
9 V. Armeev, Godov__ina pozora i skorbi, in: Izvestija v. 5.12.1991, S. 1 und 3, hier S. 3.
10 Fotos der Baustelle sind abgedruckt in: A. Pasternak, Plo__ad‘ Chrama Christa Spasitelja, in: NN 35-36. 1995, S. 221, und Ju. Lu_kov, My deti tvoi, Moskva, Moskva 1996, S. 93. Für das Marxsche Diktum vom „Opium des Volkes“ vgl. MEW, Bd.1, S. 378.
11 Zur Geschichte des Sowjetpalasts vgl. v.a. Schlögel, Moskau, S. 56-60, 62-64.
12 Zum „kollektiven Gedächtnis“ vgl. u.a. M. Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, Frankfurt 21985. A.u.J. Assmann, Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis, in: K. Merten / S.J. Schmidt / S. Weischenberg (Hgg.), Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Opladen 1994, S. 114-140. J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992.
13 Cvetkova, Vo imja Christa Spasitelja, S. 18. _ilkina, Chram, S. 43.
14 Butorov, Kakim byl Chram, S. 17.
15 _ilkina, Chram, S. 43.
16 V. Sidorov, Pamjatnik pobedy – chram, in: LR v. 7.4.89, S. 7.
17 _to pamjatnik na veka. Iz na_ej po_ty, in: LR v. 12.5.89, S. 2; LR v. 19.5.89, S. 4; LR v. 7.7.89, S. 15; LR v. 22.9.89, S. 11.
18 Ju. Borisov, Centr sobornosti i edinenija. Sozdan Fond vosstanovlenija Chrama Christa Spasitelja, in: LR v. 29.8.89, S. 11.
19 Logo und Text wurden eingeführt in: LR v. 12.5.89, S. 2.
20 V. Solouchin, Esli ulica ne vedet k chramu…, in: LR v. 1.9.89, S. 6.
21 R. Medwedjew, „Pokajanije“. Ein Film, den man nicht vergessen kann und nicht vergessen darf, in: OE 5. 1988, S. 356-368.
22 Borisov, Centr sobornosti, S. 11.
23 Da es schwierig ist, für den vielschichtigen Begriff der „Sobornost'“ eine adäquate Übersetzung zu finden, wird im weiteren der russische Originalterminus verwendet. Vgl. dazu auch Anm. 55.
24 Fond vosstanovlenija Chrama Christa Spasitelja, Poslanie, in: LR v. 29.9.89, S. 11.
25 Cvetkova, Vo imja Christa Spasitelja, S. 19. _ilkina, Chram, S. 44. G. Seide, Orthodoxie, Staatsmacht und Armee, in: OE 10. 1996, S. 1005-1019, hier S. 1012.
26 O. Nikol’skij, Osvja__enie zakladnogo kamnja, in: LR v. 30.12.94, S. 3.
27 So etwa: V. Kozlov, Gibel‘ Chrama, in: Moskovskij _urnal 9 (1991), S. 8-18. Iz istorii razru_ennogo chrama, in: Chudo_nik 9 (1991), S. 17f. Armeev, Godov__ina, S. 1 und 3. A. Pasternak, Konec Chrama Christa Spasitelja, in: MK v. 5.12.91. Zum Teil wurde das Thema auch schon vor 1991 aufgegriffen: A. Ivanov, Pod klju_?, S. 10f. A. Aleksin, Kak vzryvali sovest‘, in: Ve_ernjaja Moskva v. 7.9.90.
28 A. Ivanov, Tajna _ertol’skogo uro_i__a, in: Ni_ 1. 1989, S.66-74. Marija €egodaeva, Kakaja doroga vedet k chramu Christa Spasitelja, in: MN v. 20.8.89, S. 11. V. Kuznecov, Altar‘ dolga narodnogo, in: Golos Rodiny 43. 1989, S. 13. M. Beketov, Vremja sobirat‘ kamni, in: Klub 2. 1990, S. 27-29. Vozro_denie Chrama Christa Spasitelja, in: JCH 7. 1990, S. 2-7. Chram Christa Spasitelja, in: Vi_ 8. 1990, S. 26-30, 1. 1991, S. 89-94. Zum größten Anstieg von Publikationen kam es 1994/95, als die offizielle Förderung des Projekts begann und die Bauarbeiten anliefen. Hier nur einige Beispiele: M. Pozdnjaev, Chram Christa Spasitelja… imeni Dvorca Sovetov?, in: NV 36. 1994, S. 36-39. Lev Korne_ov, Raspjatie chrama. Ego stroili v ob__ej slo_nosti sem’desjat let. Teper‘ sobirajutsja – za tri goda, in: RG, v. 17.5.1994, S. 7. D. _imanskij, Zakoldovannoe mesto, in: Segodnja v. 2.6.94, S. 3. Andrej Polunin, Doroga k Chramu, in: RG v. 7.9.1994, S. 3. I. Michajlovskaja, Chram, kotoryj vyvedet na dorogu?, in: Kuranty v. 16.9.94, S. 7. I. Karpenko, Vossijaet li chram krasotoj?, in: RV v. 17.9.94, S. 3. A. Pasternak, Plo__ad‘, S. 210-221. M. Rjazancev, I sotvorim plody dostojnye pokajanija, in: NN 35-36. 1995, S. 222-225.
29 J. Rüsen, Historische Orientierung. Über die Arbeit des Geschichtsbewußtseins, sich in der Zeit zurechtzufinden, Köln / Wien 1994, S. 10f.
30 V. Solouchin, E__e raz o vozro_denii Chrama Christa Spasitelja, in: LR v. 2.2.90, S. 8f. Ju. Ju_kin, God spustja, in: LR v. 28.9.90, S. 22.
31 Ju. Ju_kin, Gospodi, blagoslovi…, in: LR v. 7.10.94, S. 2.
32 _ilkina, Chram, S. 44.
33 Ukaz Nr. 785 v. 16.7.1992. Vgl. dazu Korolev, Trudnaja doroga, S. 3.
34 _ilkina, Chram, S. 44. Korolev, Trudnaja doroga, S. 3.
35 A. Polunin, Doroga k Chramu, in: RG v. 7.9.94, S. 3.
36 Wenn nicht anders angegeben, stammen die folgenden Zitate aus dem „Appell des Öffentlichen Aufsichtsrats“: Obra__enie Ob__estvennogo nabljudatel’nogo Soveta, S. 1. Der Text findet sich auch in der offiziellen Zeitschrift des Patriarchats: Obra__enie Ob__estvennogo nabljudatel’nogo Soveta po vossozdaniju Chrama Christa Spasitelja, in: _MP 5 .1995, S. 19-20. Diese Variante ist von den Mitgliedern des Aufsichtsrats unterzeichnet und firmiert unter dem Rubrum: „Eine heilige Sache“.
37 V. _umejko, Obra__enie v. 5.9.94 (Aushang im Museum der Kathedrale).
38 Aleksij II., Nyne, S. 2.
39 Obra__enie Ob__estvennogo nabljudatel’nogo Soveta, S. 1.
40 A. Strygin, Chram i filatelija, in: JCH 6. 1996, S. 48.
41 N.I. Voro_ejkina / V.M. Solov’ev / M.T. Studenikin, Rasskazy po rodnoj istorii, Moskva 1993, S. 200-204.
42 Dies merken auch einige russische Autoren kritisch an: Korolev, Trudnaja doroga, S. 3. A. Archangel’skij, Chramovoe dejstvo, in: LG v. 30.11.94, S. 3. S. Andreev, Nu_en li stolice novyj BAM?, in: RV v. 13.4.95, S. 3.
43 Archangel’skij, Chramovoe dejstvo, S. 3. P. Palamar_uk, Voskresenie, in: LR v. 25.8.89, S. 6. Der Künstler hatte das Projekt als Gedenkstätte für alle Opfer konzipiert, die im Rußland des 20. Jahrhunderts gestorben sind.
44 M. Rjazancev, Muzej Chrama, in: JCH 6. 1996, S.47.
45 P. Dmitriev, „Ne nam, no Imeni Tvoemu…“. Novyj Chram budet zalo_en tak _e, kak i pre_nij, in: Moskovskaja Pravda v. 20.12.94, S. 11 (= Beilage „Moskovskoe stroitel’stvo“, S. 1). K. €erkasskij, Chram budet zalo_en pod zvon kolokov, in: LR v. 30.12.94, S. 3. Vgl. auch die Gedenkmünze zur Grundsteinlegung, die im Museum der Kathedrale ausgestellt ist.
46 _tapy stroitel’stva, in: JCH 6. 1996, S. 26. _ilkina, Chram, S. 46. Pervoe bogoslu_enie v Chrame Christa Spasitelja, in: _MP 4-5. 1996, S. 20f.
47 vgl. Seide, Orthodoxie, S. 1107 Anm. 5.
48 V. Eremenko, Pervaja panichida v vozro_dennom chrame, in: LR v. 11.4.97, S. 1.
49 A. __erbakov, Moskva, chrani tebja Gospod‘!, in: RG v. 22.8.97, Beilage „Moskovskaja vlast'“. Mas_taby prazdnika perekryli vse o_idanija, in: NG v. 9.9.97, S. 6.
50 E. Zverkov, Raboty chvatit vsem, in: JCH 6. 1996, S. 34. Ju. Orechov / I. Ba_urina, Skul’ptura dlja Chrama, in: JCH 6. 1996, S. 36-41, hier S. 36. Z. Cereteli, V rusle drevnich tradicij, in: JCH 6. 1996, S. 42f.
51 Paschal’noe poslanie Patriarcha Moskovskogo i vseja Rusi Aleksija II. archipastyrjam, pastyrjam, mona_estvuju__im i vsem vernym _adam russkoj pravoslavnoj cerkvi, in: _MP 4. 1997, S. 5-8, hier S. 6.
52 Ustav fonda vosstanovlenija Chrama Christa Spasitelja. Utver_dennyj u_reditel’noj konferenciej Fonda vosstanovlenija Chrama Christa Spasitelja 22 sentjabrja 1989 g. Moskva, in: LR v. 2.2.90, S. 8.
53 K. Buchenau / B. Beck, Vorwärts in die Vergangenheit? Die Russisch-Orthodoxe Kirche zwischen Bewahrung, Nationalismus und Reform, in: Berliner Osteuropa-Info 9 .1997, S. 45-49, hier: S. 45. Allerdings weisen verschiedene Symptome darauf hin, daß sich hinter den sensationellen Zahlen eine sehr viel komplexere Realität verbirgt: Häufig wissen die neuen Adepten des Christentums nur wenig von ihrer Religion und vermischen sie mit Elementen aus anderen, östlichen Religionen, aus Astrologie, Heidentum und Magie (ebd).
54 G. Seide, Die Russische Orthodoxe Kirche in Rußland, in: OE 11 (1993), S. 1039-1051. Ders., Orthodoxie, S. 1005-1019.
55 S. Utechin, Geschichte der politischen Ideen in Rußland, Stuttgart u.a. 1966, S. 79.
56 LR v. 22.9.89, S. 11. Dieser Aufruf wurde sogar noch vor der Gründung des Fonds publiziert.
57 Die Serie „Für die Wiedergeburt der Kathedrale“ begann in LR v. 13.10.89, S. 23. Sie erschien zunächst als wöchentliche, später als monatliche Rubrik.
58 S.G. Semenenko, __edrost‘ du_i, in: JCH 6. 1996, S. 27.
59 So der Titel eines populären Films von Stanislav Govoruchin, der ganz entscheidend zur nostalgischen Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ des Zarenreichs beigetragen hat.
60 Sidorov, Pamjatnik pobedy, S. 7. N. __erbina, Chram stroit nas, in: RV v. 13.4.95, S. 3. Ähnlich: V. Korda, Simvol veli_ija ot_izny, in: LR v. 25.8.89, S. 6.
61 Aleksij II., Nyne, S. 2.
62 Obra__enie Ob__estvennogo nabljudatel’nogo Soveta, S. 1. B. El’cin, Obra__enie Prezidenta, S. 3.
63 Lu_kov, My deti tvoi, S. 317-319.
64 Dmitriev, Ne nam, S. 11.
65 _ilkina, Chram, S. 44.
66 Zur Kritik am Wiederaufbauprojekt vgl.: D. _imanskij, Prestuplenie i nakazanie. Chu_e razru_enija Chrama Christa Spasitelja mo_et byt‘ tol’ko ego vossozdanie, in: NG v. 25.6.94, S. 6. I. Krolenko, Vedet li _ta doroga k chramu?, in: MN v. 16.-23.10.94, S. 4. E. Lebedeva, Postroim dvorec Christa Spasitelja?, in: MN v. 13.-20.11.94, S. 21. I. _ebanov, Chram Christa Spasitelja – na plyvunach, in: Pravda v. 11.1.95, S. 4. S. Andreev, Nu_en li stolice novyj BAM?, S. 3. _egodaeva, Kakaja doroga, S. 11. S. Smolkin, _alko chram, no byl li on _edevrom?, in: RG v. 15.10.94, S. 3. M. Dej_, Chram Christa ili pamjatnik m_ru?, in: Ogonek 48-49. 1994, S. 10f. Vladimir Gromov, Pokajanie za s_et bjud_eta?, in: RG v. 6.1.1995, S. 8.
67 G. Simon, Der patriotische Konsens in Rußland, in: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Aktuelle Analysen 11. 1997, S. 1-6, hier S. 1.
68 Schlögel, Moskau, S. 64.

 

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