Instant Barock? Das Schloss 2015

Der Wiederaufbau der Schlossfassaden mit Humboldt-Forum soll bis zum Jahr 2015 (= 25 Jahre Deutsche Wiedervereinigung) fertiggestellt sein. Und die überall publizierten Simulationen des Fördervereins Berliner Schloss zeigen hierfür eine perfekte und vollständige Wiederauferstehung – als hätte es „all die Schmerzen der Geschichte nicht gegeben“. Doch das Berliner Schloss war ein gigantisches Bauwerk – wie der Größenvergleich zeigt –  und reichlich skulptural verziert, denn schließlich war Schlüter zunächst Bildhauer. Wie soll das gehen? Die Tradition der Steinbildhauerei ist fast verschwunden. Die Rekonstruktionsliebhaber beklagen ja immer wieder den Verlust der klassischen Baukultur, des Bauhandwerks und baukünstlerischer Traditionen. Wie soll dann heute – wo diese Befähigungen fehlen – die Schlossfassaden in einem Bruchteil der Zeit entstehen, die einst für Ihre Herstellung benötigt wurden, als die Zunft der benötigten Skulpteure in voller Blüte stand?

Wie der Berliner Steinbildhauer Andreas Hoferick im Interview darlegt, wird dieser Prozess anders als behauptet Jahrzehnte dauert. Daher wird dass Schloss, wenn es denn gebaut werden wird, 2015 erstmal etwas nackt aussehen, denn der bildhauerische Schmuck wird erst nach und nach eingebaut werden können:

Das Schloss 2015: Visualisierung als Überarbeitung einer entsprechenden Vorlage des Fördervereins Berliner Schloss e.V./ eldaco 

Zudem: wenn die Fassade tatsächlich wie behauptet über Spenden finanziert werden soll, wird dieser Prozess wohl mehr als ein Jahrhundert dauern. Seit 2002 hat der Förderverein Berliner Schloss 9,2 Mio. Euro Spendengelder eingenommen (Stand Herbst 2008), diese aber zu über 70 Prozent wieder ausgegeben. Zur Zeit sind schätzungsweise 2,5 Mio. Gelder noch vorhanden. Die historische Fassade wie jedoch laut Kostenschätzungen des Bundes Mehrkosten von etwa 110 Mio. Euro verursachen (ohne Kosten für die Spendenaquise) . Wird die Spendensammlung und -verwendung so fortgesetzt wie bisher, werden 143 Jahre benötigt, bis die Fassade vollständig spendenfinanziert ist. Und dass auch nur dann, wenn der Bauherr bereit ist, die vom Förderverein eigenmächtig erstellten Sachleistungen vollständig zu übernehmen, obwohl er eigentlich Gelder und keine Bausteine haben will. Wenn er auf Geldleistungen bestehen sollte und alles würde laufen wie bisher, würden sogar 268 Jahre ins Land gehen, bis die notwendigen Spenden zusammen sind.

Dies alles spricht nicht grundsätzlich gegen eine Rekonstruktion, denn warum sollte man in unserer schnelllebigen Zeit nicht etwas auch ganz langsam angehen. Doch ironischer Weise plädieren die sonst so kulturpessimistisch gestimmten Rekonstruktionsfreude für ein Instant-Barock aus der Retorte.

Philipp Oswalt

 

 

 

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