Wozu nutzt das Humboldt-Forum?

 

Aufgrund des Fassadenstreits wurde das Nutzungskonzept für das Humboldt-Forum bislang nicht kritisch diskutiert. Doch ein Blick in die Auslobung des zur Zeit laufenden Architektenwettbewerbs zeigt: Die Nutzfläche wurde mehr als halbiert, ohne die Konzeption zu ändern oder weiterzuentwickeln. Die ethnologischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Berliner Landesbibliothek werden in unverantwortlicher Weise fragmentiert und auseinandergerissen. Wie Philipp Oswalt in diesem Beitrag aufzeigt, haben nicht die Kulturschaffenden das Wort, sondern die Politik, die das Projekt ihren fraglichen Legitimationsbedürfnissen unterwirft. ///

 

Wichtiger als die Rekonstruktion der Barockfassaden ist bei der Bebauung des Berliner Schlossareals letztlich die Frage der Nutzung: Was soll hier stattfinden? Lange wurde dieses Thema eher stiefmütterlich behandelt, denn dominiert wird die Debatte bis heute von dem Wunsch zum Wiederaufbau der Schlossfassaden, nachdem die temporäre Fassadenkulisse im Jahr 1993 bei vielen einen starken Eindruck hinterlassen hatte. Doch seit Klaus Dieter Lehmann als damaliger Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in den Jahren 1999 – 2001 die Idee des Humboldt-Forums entwickelt hatte, scheint die Frage der Nutzung des Schlosses zur Zufriedenheit aller gelöst zu sein.

Das Humboldt-Forum macht auch denen, die der Fassadenrekonstruktion kritisch gegenüber stehen, ganz bewusst ein Angebot [1], das inhaltlich attraktiv erscheint und von ihnen dankbar angenommen wird, so etwa von Bundes- und Landespolitikern der Grünen und der Linken. In einer in ihrer Anbiederung schon eher peinlichen Umarmungsgeste nimmt die Argumentation für das Humboldt-Forum dabei die vermeintliche Volkshausidee des Palasts der Republik auf.[2]

Offenkundig ist die legitimatorische Funktion des Nutzungskonzeptes: Das preußische Herrscherschloss wird zum Ort des globalen Kulturausschuss unter dem Label der liberalen Gebrüder Humboldt – ein Musterbeispiel für politische Correctness. Hier muss keiner mehr befürchten, dass deutscher Nationalismus oder preußischer Militarismus seine Urstände feiert, und damit ist auch jenen Totschlagargumenten, mit denen der Schlossabriss seinerzeit ‚begründet’ wurde, der Wind aus den Segeln genommen. In seiner blumigen Sprache brachte es Peter Klaus Schuster gegenüber der Expertenkommission 2001 auf den Punkt: „Man könnte geradezu von einer alchemistischen Verwandlung Preußens durch seine Museen und Universitäten zum Ruhme dieser Bundesrepublik sprechen.“ Ob eine solche Transformation eines Erbes durch selektives Erinnerungsvermögen an diesem Ort deutscher Geschichte angemessen ist, soll hier nicht weiter diskutiert werden. Unstrittig aber erfüllt es eine zentrale politische Funktion, denn schließlich wurde das Humboldt-Forum als wichtigstes nationales Bauvorhaben für Jahrzehnte bezeichnet und soll als Ort der Identifikation für das wiedervereinte Berlin und Deutschland dienen.

Eigentümlich ist hierbei, wie die eigene Identitätssetzung das eigene Hier und Jetzt ausspart, und einerseits durch Rückgriff auf die ferne Vergangenheit, zum anderen auf das räumlich Entfernte konstruiert wird. Liegt in dieser wohl traumatisch begründeten Verrenkung der unfreiwillige Kern der deutschen Identität?

Während die Instrumentalisierung „außereuropäischer“ Kulturen zur scheinbar noch als erforderlich angesehenen Legitimierung eines Preußen-Revivals gut funktioniert und dabei einen surrealistischen Charme entwickelt, stellt sich umgekehrt die Frage, was die deutlich christliche Prägung des Schlossbaus für die zumeist aus anders religös geprägten Kulturen hervorgegangen Schöpfungen bedeuten soll.

Das Nutzungskonzept ist auch sonst eine machtpolitisch pragmatische Lösung: Die drei Anrainer des Schlossareals – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Humboldt-Universität und Berliner Landesbibliothek – teilen den Kuchen unter sich auf. Ungünstig hierbei ist jedoch, dass das bestehende Haus der Kulturen nicht auf der Museumsinsel, sondern im Tiergarten neben dem Bundeskanzleramt seinen Sitz in hat. So wurde es bei der Aufteilung des Niemandlandes unter den drei angrenzenden Großeinrichtungen nicht berücksichtigt, obwohl es in Berlin bislang der Ort ist, an dem der mit dem Humboldt-Forum formulierte Anspruch des Dialoges der Kulturen seit bald 20 Jahren erfolgreich praktiziert wird. So laviert man seitdem mit diesem Handicap herum: Immer wieder ist die Rede davon, dass man das Haus der Kulturen und auch andere einbeziehen will, doch de facto ist es außen vor und – so ist zu hören – soll es auf Wunsch des Kulturstaatsministerium auch dabei bleiben.

 

Fotografien aus dem Projekt STILLEPOST (1999) der Künstlerin Angelika Böck: , Realisation in der Republik Elfenbeinküste mit den Bildhauern Dramane Kolo-Zié Coulibaly, Amadou Coulibaly, Dosso N’Gouamué, Gboungué Louna Pascal und Bidjie Goure

 

Insgesamt ist ohnehin keine Bewegung oder Entwicklung erkennbar. Zu Zeiten der Expertenkommission hatten – so hieß es – die drei Nutzer des Humboldtforums eine Arbeitsgruppe gebildet, um das Nutzungskonzept zu entwickeln. Doch was diese in den nun mehr vergangenen sechs Jahre für Deutschland wichtigstes Kulturprojekt erarbeitet hat, ist nicht erkennbar. Die Ergebnisse eines Kooperationsprojekt der Bundeszentrale der politischen Bildung mit den Nutzern, welche auf einer DVD und Website (www.humboldt-forum.de) dokumentiert sind, sind mit ihren Kurzinterviews und einer (!) knappen Seite Text erschütternd mager. Auch die Ausschreibung des Architektenwettbewerbs gibt – außer in ihren zum Teil anmaßenden Selbstzuschreibungen (‚weltweit einzigartig’, ‚von suggestiver Kraft’, ‚bedeutendste Bauwerk Nordeuropas’ etc.) und einer quantitativen Aufschlüsselung der Quadratmeter für das Raumprogramm – inhaltlich nicht mehr her.

Wie es zu diesem gedanklichen Vakuum kommt, ist erstaunlich, denn der Bedarf für eine tragfähige und durchdachte Konzeption ist akut. Nicht nur, dass die erste Idee zum Humboldtforum weiterentwickelt werden müsste, bevor die geplanten halbe Milliarde Euro – hoffentlich nur wörtlich, und nicht metaphorisch – in den märkischen Sand gesetzt wird. Erheblicher Revisionsbedarf besteht zudem durch einen akuten Sparzwang: Die von der internationalen Expertenkommission vorgesehenen 100.000 qm wurden um mehr als die Hälfte auf 40.000 qm reduziert. Und dies, obwohl Lehmann bereits 2001 die ursprüngliche Fläche bereits für das Raumprogramm als unzureichend ansah und nahe legte, auf ein Nutzungselement zu verzichten. Doch genau einen solchen, eigentlich unvermeidbaren Schritt verweigert man. Stattdessen werden die Nutzungen bis zur Unkenntlichkeit zurechtgestutzt: Die Humboldtuniversität ist nunmehr statt mit 8.000 qm nur noch mit 1.000 qm einschließlich Verwaltung vorhanden. Damit ist nichts Sinnvolles anzufangen, sondern es dient nur noch dazu, den Schein zu wahren.

Die Landesbibliothek erhält 4.000 qm und scheint damit besser gestellt als die Universität. Doch bei ihr ist das Flächenproblem viel gravierender, denn es geht um ihre Grundfunktion als eine der wichtigsten und meist genutzten kulturellen Bildungsstätten in Berlin und nicht um eine zusätzliche Aktivität. Anstatt wie ursprünglich vorgesehen die Bibliothek am Schlossareal zu konzentrieren, zu vereinen und die hierfür erforderlichen 26.000 bzw. 50.000 qm vorzusehen, reicht der vorgesehene Platz nur noch für eine kleinen Teil der Bibliothek. Damit wird sie (auf statt bislang provisorisch zwei) auf drei Gebäude verteilt und hat immer noch nicht ausreichend Platz. Absurder Weise wird zudem die Aufteilung so vorgenommen, dass die Abteilungen für Völkerkunde und Volkskunde im Humboldt-Forum gar nicht untergebracht werden, obwohl dort die ethnologischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz präsentiert werden sollen. Die Zersplitterung der Bestände einer solchen städtischen Publikumsbibliothek ist konzeptuell fatal: Es ist ja gerade Sinn einer solchen Bibliothek, einfachen und schnellen Einstieg in verschiedenste Wissensgebiete zu bieten und sich nicht zu spezialisieren. Ist es nicht gerade das Vergnügen einer solchen Bibliothek, einem ganz fremde oder neue Wissensgebiete unkompliziert aufsuchen zu können? Gleichwohl tut die Leiterin der Landesbibliothek Claudia Lux so, als wäre alles in Ordnung und schreibt im Juli 2007: „4.000 qm neue öffentliche Bereiche auf dem Schlossplatz für die Berlinerinnen und Berliner in ihrer Landesbibliothek, da muss man zustimmen.“ Eigentlich: Nein. Aber Hauptsache, man ist dabei.

Doch das ist nicht alles. Der Konzeption des Humboldtforums liegt schon von Anfang als gravierender Geburtsfehler eine Zerstörung bestehender Zusammenhänge der Bestände des Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Grunde, um das politische gewollte Legitimationsmuster fabrizieren zu können. Seltsamer Weise ist dies bislang niemandem aufgefallen. Die Bereitstellung des gewünschten Labels „außereuropäische Sammlungen“ war nur möglich, in dem man aus der bestehenden ethnologischen Sammlung in Dahlem im Jahr 1999 (und damit zu dem Zeitpunkt, als Lehmann erstmals seinen Vorschlag für das Schlossareal formulierte) die europäische Abteilung heraustrennte und aus ihr ein eigenständiges Museum Europäische Kulturen machte, welches nicht in das Humboldtforum aufgenommen werden soll, sondern in Dahlem verbleibt. Damit hatte man die von Rudolf Virchow Ende des 19. Jahrhunderts initiierte Sammlung aus dem ethnologischen Museum ausgegliedert und kann somit auf der Museumsinsel außereuropäische Volkskultur gegenüber europäischer Hochkultur inszenieren. Zudem ist das Label des Humboldtforums als Ort der außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein Etikettenschwindel.

Denn wie bislang die ethnologischen Sammlungen in Dahlem gibt es eine ganze Reihe weiterer Museen, bei denen „europäisches“ mit „außereuropäischem“ gemischt ist: ob in der Skulpturensammlung/ Museum für byzantische Kunst des Bodemuseums, dem Münzkabinett im Pergamonmuseum, der neuen Nationalgalerie oder dem Museum für Gegenwartskunst im Hamburger Bahnhof. Ganz abgesehen hiervon gibt es zudem die anderen fulminanten außereuropäischen Sammlungen: Das ägyptischen Museum in Charlottenburg, das vorderasiatische Museum und das Museum für Islam im Pergamonmuseum sowie das Iberio-Amerikanische Institut auf dem Kulturforum sind alle nicht Teil des Humboldtforums sind, obwohl letzteres angeblich die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung preußischer Kulturbesitz (SPK) in sich vereint.[3]

Im Fazit ist die jetzige Konzeption des Humboldtforums also die um ihre europäisch Abteilung beraubte ethnologische Sammlung der SPK plus die asiatischen Sammlungen. Hinzu kommt ein kleiner Teil der Landesbibliothek, die aus den bestehenden Häusern herausgerissen wird, und dem man große Popularität zuschreibt (Abteilungen Kinder Jugend, Bühne, Film, Tanz, Kunst, Musik).

Doch Zweifel haben die Erfinder, Erbauer und Betreiber des Humboldtforums nicht; vielmehr ist es für sie eine magische Wundermaschine, die alles ermöglicht: Das Humboldtforum ist – gemäß Auslobung des Architekturwettbewerbs – „ein globales Netzwerk, das den Kunstgenuss gleichberechtigt neben die Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der Globalisierung stellt und sich gleichzeitig als ein attraktives Veranstaltungszentrum versteht“ [4]. Dabei bietet die Agora als „das Portal“ laut Klaus Dieter Lehmann „ ‚global Shopping’ für Besucher, Passanten und Touristen“, während die Sammlungen „authentisch außereuropäischer Kulturen dokumentieren“ und damit ein „nicht kuratiertes Ideenreservoir“ offerieren [5]. Das Humboldtforum gibt mit seinem „weltweit einzigartiger Reichtum“ dem „Weltkompetenz und Weltwissen“ ein „pulsierendes Zentrum“ [6]. Für die internationale Expertenkommission ist es ein „Bürgerforum“, welches „das im Palast der Republik verkörperte Konzept eines ‚Volkshauses’ aufgreift“ und nichts weniger als die „bürgerschaftliche Mitte der deutschen Hauptstadt“ bildet [7]. Damit ist es selbstredend „ein vitaler Ort, der den zutiefst politischen Schlossplatz wiederum politisch nutzt“ und generös „die Welt zum Teilhaber einer der vornehmsten Plätze Deutschlands“ macht. Denn schließlich werden eine „Vielzahl von Künstlern und Wissenschaftlern aus aller Welt … als Gäste im Humboldt-Forum in der Mitte Berlins ihren Wirkungsort haben“ [8]. Und damit erfährt „der universal Anspruch im Museum die Kunst der ganzen Welt und aller Wissenschaften zu studieren, nun mit dem Humboldtforum seine wirkliche Erfüllung“ [9].

Das heutige Konstrukt des Humboldtforums kann als Reaktion auf den Rechtfertigungsdruck der gesellschaftlich stark umstrittenen Entscheidung für die barocke Fassadenrekonstruktion verstanden werden [10], ohne das es bislang ein tragfähiges Konzept bietet. Es ist politisch begründbar, aber (noch) nicht kulturell-kuratorisch. Und im Windschatten des Fassadenstreits, auf den die öffentliche Debatte fixiert ist, blieb es bislang vor Kritik verschont. Positiv mag man anerkennen, dass es immerhin die Funktionen füllte, an diesem Ort eine öffentlich und auch öffentlich finanzierte, kulturelle Nutzung politisch durchzusetzen und zumindest Andeutungsweise den Anspruch formuliert, ein neues Format für eine kulturelle Institution zu suchen. Doch das, was bislang formuliert ist, taugt nicht als Basis für ein solch gewichtiges Projekt. Erste Zweifel am Nutzungskonzept wurden jüngst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung laut, die das Schloß nunmehr als neuen Standort für die Gemäldegalerie propagiert, doch auch dies ist keine überzeugende Lösung.

Schnell wurde 1998 ein intelligenter Vorschlag Michael Cullens vom Tisch gewischt, an dem Ort die beiden Abteilungen der Staatsbibliothek (Ost und West) zu vereinen und in einer Rochade dann die Stabi-West der Landesbibliothek zur Verfügung zu stellen [11]. Ohnehin stellt sich die Frage, welche Vorteile die zusätzliche Konzentration neuer musealer Nutzungen auf der Museumsinsel mit sich bringen soll (die ja mit der beabsichtigten Verlagerung der Gemäldegalerie vom Kulturforum zur Museumsinsel fortgeführt werden soll). Der Charme der Museumslandschaft vieler Metropolen ist ja gerade, dass man mit dem Aufsuchen verschiedener Museen zugleich verschiedene Stadtteile erläuft und erkundet. Ohnehin kann kein Mensch die bereits heute auf der Museumsinsel konzentrierten Sammlungen auf einen Schlag erfassen. Urbanistisch wäre es ersterbenswerter, andere Öffentlichkeiten an den Ort zu holen und zu binden, verschiedene Personenkreise anzusprechen und ein breites Spektrum an öffentlichem Leben zu erzeugen, anstatt ein reines Touristenghetto zu schaffen. Auch wenn die Entscheidungen bezüglich der Staatsbibliothek bereits gefallen sind, ist die Frage der Landesbibliothek noch ungelöst und noch weitere Akteure außer den Museen denkbar.

Für die Entwicklung einer tragfähigen Konzeption ist es spät, aber noch nicht zu spät. Nach der Entscheidung über den Architektenwettbewerb könnte die Raumkonzeption überarbeitet und weiterentwickelt werden auf Basis einer tragfähigen Konzeption. Durch den Wechsel an der Spitze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist mit Hermann Parzinger ein zentraler Akteur qualifiziert neu besetzt, der bei ausreichender politischer Rückendeckung die Dinge neu justieren könnte. Hoffen wir, dass die Beteiligten den Mut aufbringen, der Frage der Nutzung nochmals ernsthaft nachzugehen und nicht das Projekt, wenn die Fassade für sie stimmt, einfach durchwinken oder gar möglichst schnell durchpeitschen.

Für eine erfolgreiche Entwicklung wäre es jedoch unabdingbar, das Projekt seiner politischen Instrumentalisierung zu entziehen und zu entstaatlichen. Alle wichtigen Gremien und Prozesse wurden und werden bislang von Politikern dominiert. Der internationalen Expertenkommission Historische Mitte saß der österreichische SPÖ-Politiker Hannes Swoboda vor, fünf Politiker fungierten zudem als die ‚Moderatoren’, vier weitere waren selber Experten; dem Preisgericht des zur Zeit laufenden Architekturwettbewerbs gehören als Sachpreisrichter zehn Bundes- und Landespolitiker, aber nur drei Nutzungsvertreter an, MdB Thierse spielte in der ersten Jurysitzung eine dominate Rolle; Ex-MdB Richard Schröder (SPD) und die FDP-Politiker-Witwe Ingrid Rexrodt sind die Vorsitzenden des Fördervereins Berliner Schloß e.V. und selbst die flankierenden Aktivitäten wie die der Stiftung Berlin (Volker Hassemer, Senator a.D. der CDU, Richard Schröder) oder Bundeszentrale politische Bildung (Thomas Michael Krüger, SPD) sind fest in der Hand von Politikern. Nur wenn es gelingt, das Projekt dem Politikbetrieb und damit seinen Legitimationsbedürfnisse, Kompensationsgeschäften, lobbyistischen Einflussnahmen, Interessensverflechtungen, aber auch Ängsten, Tabus und Orthodoxien zu entziehen, wird etwas brauchbares entstehen können.

Das Schloßareal war über Jahrhunderte Ort der Staatsmacht, und nur in kurzen Momenten des Umbruch zu Zeiten des Berliner Unwillens 1448, nach der Novemberrevolution von 1919, vor seiner Sprengung in den frühen Nachkriegsjahren, und nach der Asbestsanierung des Palastes bis zu seinem Abriss (2002 – 2005) wurde es zu einem zivilgesellschaftlichen-bürgerschaftlichen Ort. Nur wenn der Politikbetrieb, nachdem er die Finanzierung gesichert hat, die Kontrolle über das Projekt abzugeben bereit ist, und unabhängige kulturelle Akteure dieses entwickeln können, besteht die Chance auf ein schlüssiges Projekt. Die fortgesetzte Indienststellung der Kultur für Politikbetrieb und Staatsapparat wäre die Fortsetzung einer unseligen Tradition des Ortes.


Eine gekürzte Fassung des Textes erschien in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24.8.2004.

 

 

Hinweis zur Bebilderung: Weitere Information zu der künstlerischen Arbeit unter http://www.angelika-boeck.de/deutsch/arbeiten/stillepost.html. Katalog im Buchhandel erhältlich, etwa bei Amazon

 


Anmerkungen:

[1] Lehmann gegenüber der  internationalen Expertenkommission  am 16.3.2001: „Der Vorschlag ist zunächst unabhängig von der äußeren Bauwerksgestalt. Das kann Schlossgegner und – Befürworter versöhnen.“ (Anlageband S. 17)

[2] Siehe Abschlussbericht der Expertenkommission 2002, Seiten 23, 33, 44

[3] Auslobungstext des internationalen Wettbewerbs 2007, S. 6: Anlass und Ziel

[4] Auslobungstext des internationalen Wettbewerbs 2007, S. 45

[5] Vortrag von Klaus Dieter Lehmann 2006

[6] Auslobungstext des internationalen Wettbewerbs 2007, S. 46f.

[7] Internationale Expertenkommission, Abschlussbericht 2002, S. 23, 26

[8] Auslobungstext des internationalen Wettbewerbs 2007,  S. 44f, 48

[9] Auslobungstext des internationalen Wettbewerbs 2007,  S. 48

[10] Das Humboldtforum leitet aus der Sehnsucht nach den Barockfassaden einen Inhalt ab; immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Ursprünge der Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Humboldt-Universität auf die Wunderkammern im Berliner Schloss zurückgehen und somit Form und Inhalt sich bdingen. Dieser Zusammenhang ist allerdings keineswegs so zwingend wie dargestellt. Genauso, wenn nicht gar weitaus besser ließ sich eine Nutzung durch das Finanzministerium, die Bundesbank, das Staatsarchiv, das Gästehaus der Bundesregierung, den Bundesgerichtshof, eine kirchliche Einrichtung oder ein Konzertsaal legitimieren.

[11] siehe http://www.berliner-reichstag.net/michael-cullen/ind_stadtschloss.htm?RahmentestUmleitung:/michael-cullen/stadtschloss.htm

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