Mit Spendengeldern von Rechtsradikalen wird die das Berliner Schloss weiter zum neu-rechten Symbol für das „christliche Abendland“ ausgebaut
Wie die Stiftung Humboldtforum mitteilt, werden am morgigen Dienstag, den 19. März 2024 die Steinskulpturen der acht alttestamentlich Propheten auf der Kuppel-Balustrade über dem Eosanderportal des Humboldt Forums/ Berliner Schloss montiert. Eine der Figuren, der Prophet Daniel, wurde laut Website des Fördervereins Berliner Schloss von der von vielen als rechtsradikal eingeschätzten Politikerin und Publizistin Vera Lengsfeld [teilweise] finanziert*. Die Namen der übrigen Spender werden auch auf Nachfrage von der Stiftung Humboldt Forum und dem Bundesbauministerium nicht genannt.
Die Skulpturen der Propheten unterstreichen die christliche Symbolik der Kuppel, welche die Religionen der meisten im Humboldt Forum gezeigten Kulturen ignoriert und diese einem abendländlichen Universalitätsanspruch unterordnen. Bereits 2017 war eine heftige Kontroverse über die Anbringung von Kuppelkreuz und Kuppelinschrift aufgebrochen, bei der von vielen kritisiert wurde, dass die im Humboldtforum versammelten Außereuropäischen Sammlungen mit einem christlichen Symbol bekrönt werden. In Reaktion darauf hatte die Stiftung Humboldtforum zwischenzeitlich überlegt, den Bibelvers der Inschrift nachts mittels eine künstlerischen LED-Installation zu überblenden und somit zu relativieren. Doch diese Idee wurde verworfen. Vielmehr hat der Stiftungsrat der Stiftung Humboldt Forum nach Auskunft des Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen auf seiner 38. Sitzung am 2. November 2021 die Realisierung der Figuren der Kuppelbalustrade beschlossen. Diese waren weder in den Bundestagsbeschlüssen von 2002 oder 2003 noch im Wettbewerbsbeitrag von Franco Stella von 2008 vorgesehen.
Screenshot von der Spenderliste des Förderverein Berliner Schloss e.V.
Man muss inzwischen von einer bewussten fundamental-christlichen Unterwanderung des Stadtschlosses ausgehen, die sich bestens in die islamophoben Tendenzen der Zeit einfügt. Das Berliner Stadtschloss ist das wichtigste architekturpolitische Symbol der Berliner Republik. Es bedeutet nicht weniger als einen „steingewordenen Schlussstrich“ (Zimmerer), eine konservative Wende des identitätspolitischen Kerns der Berliner Republik. Die nun nachträglich herausgehobene christliche Symbolik verstärkt dies noch. Für eine weltoffenes Deutschland, wofür das Humboldt Forum ja zu stehen vorgab, ist dies gefährlich, weckt es doch völkische Anklänge: Nicht-Christinnen und Christen gehören nicht gleichberechtig dazu.
Die Herero-Aktivistin und namibische Vize-Ministerin Esther Muinjangue kommentiert dies wie folgt: „Das Humboldt Forum steht in der Tradition des deutschen Kolonialismus. Es ist schier unbegreiflich und auch zynisch, dass trotz der jahrlangen Kritik hieran weiterhin Gelder für eine Ausbau der christlich-preußischen Bauschmucks gesammelt werden, während eine Entschädigung für den Völkermord an den Herero und Nama von der Bundesregierung nach wie vor abgelehnt wird.“
Die Stiftung Humboldt Forum hat dem Förderverein Berliner Schloss die Möglichkeit eingeräumt, durch das Einwerben steuerlich absetzbarer Spenden über das ursprüngliche, im November 2020 erreichte Spendenziel hinaus zusätzliche Rekonstruktion von Bauelementen durchzusetzen, die weder in den Bundestagsbeschlüssen von 2002/2003 noch im Wettbewerbsentwurf von Franco Stelle von 2008 vorgesehen waren.
Wettbewerbsentwurf von Franco Stella aus dem Jahr 2008 noch ohne Figuren der Propheten
Bereits Anfang September 2021 war der Stiftung Humboldt Forum aber bekannt, dass mit Ehrhardt Bödecker zu den Großspendern des Fördervereins Personen gehören, die antisemitische und rechtsradikalen Auffassungen vertreten und auch in rechtsextremen Kreisen aktiv sind. Anders als von der Stiftung Humboldt Forum im November 2022 behauptet, handelt es sich hierbei nicht um ein Einzelfall. Neue Recherchen haben aufgezeigt, dass der Förderverein seit Anfang an und bis heute rechtsradikale Politiker sowie Unterstützer der AfD zu seinen Spendern, Mitgliedern und Funktionsträgern zählt und sich von keinem dieser distanziert hat. (Q: Philipp Oswalt: Rechte Spender für das Berliner Stadtschloss Kulturrevolution mit Preußen, ZEIT-Online, 4. März 2024).
Der Förderverein hatte Ende 2019 begonnen, den Nachbau der Balustradenfiguren zu planen und dafür Spendengelder einzusammeln. Im September 2021 wurden die zweckgebundenen Spenden für diesen optionalen Baustein der Stiftung Humboldt Forum übergeben, welche diese auch annahm, daraufhin die Umsetzung der Maßnahme beschloss und in Folge deren Realisierung beauftragte.
Es war bereits völlig inakzeptabel, dass die Stiftung Humboldt Forum es hinnahm, dass der Förderverein sich nicht von seinen rechtsradikalen Spendern distanzierte, deren antisemitischen Äußerungen leugnete und sogar die Holocaustleugnung relativierte. Es ist schlichtweg unerträglich, dass die Stiftung es rechtslastigen Kreisen ermöglicht, die Symbolproblematik des Berliner Schlosses weiter zu verschärfen und damit die schrittweise Radikalisierung des ohnehin so umstrittenen Projektes fortzusetzen.
Philipp Oswalt und Jürgen Zimmerer
* Wir haben nachträhglich das Wort teilweise ergänzt, denn inzwischen stellen alle beteiligten Akteure klar, dass die Darstellung der Spende auf der Website des Fördervereins offenkundig irreführend war, weil die Spende von Vera Lengsfeld nur zu einem kleinen Anteil die Kosten der Skulptur des Propheten Daniels deckte. Dies geht aus folgenden Stellungnahmen hervor, die uns nach unserer Pressemitteilung vom 18.3.2024 erreichten:
Am 19.3.2024 beantworte uns die Stiftung Humboldt Forum eine bereits am 15.3.2024 gestellte Anfrage mit folgenden Worten: „Die genaue Spendensumme von Vera Lengsfeld dürfen wir Ihnen aus Gründen des Datenschutzes nicht nennen. (…) Allerdings: Diese Spende deckte nur einen kleinen Bruchteil der Produktionskosten einer einzelnen Prophetenfigur ab und ist im Gesamtbudget der Figuren praktisch irrelevant. Bildlich gesprochen konnte mit diesem Spendenanteil nicht einmal der rechte kleine Fingernagel des Propheten Daniel finanziert werden.
Die Namen und die Anzahl der Spender*innen, die an den Förderverein gespendet haben, sind uns grundsätzlich nicht bekannt. Die Spenden, die uns der Förderverein im September 2021 überwiesen hat, kamen in einer Spendengemeinschaft zusammen.“
Anmerkung: Eine Spendengemeinschaft zu den Propheten ist aber weder in der Spenderliste des Fördervereins genannt noch fand eine solche bei der Einwerbung der Gelder eine Erwähnung. Dieses Konstrukt ist ebenfalls geeignet, die Herkunft von Spendengeldern zu verschleiern.
Am 21.3.2024 erreichte uns eine Stellungnahme von Frau Lengsfeld, in der sie u.a. mitteilt:
„Wie aus der Liste des Fördervereins ersichtlich gehöre ich zu den vielen, vielen Spendern für die Fassadengestaltung des Humboldt-Forums/Stadtschloss in Berlin – ich hatte über die Jahre ein Spendenabo und auf meinen Anteil an den Löwenköpfen bin ich sehr stolz. Ein kleiner Teil meiner Spende wurde ohne mein Wissen für die Figur des Propheten Daniel verwendet.“
Anmerkung: Die sich für uns daraus ergebende Frage ist, wieso ordnet der Förderverein die Spende von Vera Lengsfeld dem Propheten Daniel zu und erweckt den Eindruck, sie habe das gesamte Bauteil finanziert?
Am 22.3.2025 äußerte sich der Förderverein u.a. wie folgt: „Wir stellen dazu fest, dass die Herstellung des Daniel von Dutzenden Spendern anteilig in kleinsten und größeren Beträgen bezahlt wurde. Die von Frau Lengsfeld gespendete Summe dürfte dazu ausreichen, eine der Haarlocken des gut drei Meter hohen Propheten zu bezahlen.“