Das Hohenzollern-Schloss und Beifall von der falschen Seite

Von seltener Einmut ist die Berichterstattung der ausländischen Presse und der rechten Ideologen der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ bei der Debatte zum Wiederaufbau des Berliner Schloss. Denn beide verweisen auf den sonst peinlichst verschwiegenen Umstand, dass es hierbei um den Wiederaufbau der Hohenzollern-Residenz geht. Die britische Zeitung Guardian schrieb anlässlich der Wettbwerbsentscheidung am 29.11.2008 vom „Plan, die Residenz Kaisers Wilhelm II wiederherzustellen“. Ebenso machte die Zeitung Independent und die Nachrichtenagentur Reuter klar, dass „das Barockschloss als Residenz der Hohenzollern und des letzten Kaisers, Wilhelm II, diente“ (28.11.2008). 

In England ist die Reputation von Kaiser Wilhelm II nicht viel besser als die Adolf Hitlers, ist er doch mit seiner Hochrüstung und imperialistischen Politik maßgeblich für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verantwortlich gewesen. Rechte Ideologen haben hiermit allerdings kein Problem, und so legt denn die Berichterstattung in der Wochenzeitung Junge Freiheit diese nicht unwichtige Dimension der Schlossdebatte in aller Deutlichkeit offen.
Bereits im Juni 2000 schrieb hier Doris Neujahr: „Natürlich haben die Wiederaufbau-Pläne auch einen politischen, genauer: nationalpolitischen Aspekt, denn die Schlösser waren bis 1914 selbstverständlich Symbole und Machtzentren von Preußen und Reich.“ Anfang Dezember 2008 schreib Dieter Jung in der Jungen Freiheit: „Keine architektonische Debatte war bislang so quälend wie die um das Berliner Schloß. Verblüffen kann dies nur den, der ignoriert, daß die Deutschen noch immer nicht mit sich im reinen sind. Ihre intellektuellen Eliten sträuben sich gegen die Renaissance nationaler Identität, wofür dieses Gebäude sichtbares Zeichen ist. Das Schloß ist das Herz Berlins, Berlin ist das Herz Deutschland. Der Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses ist die Operation am offenen Herzen unserer Nation. Hoffen wir auf eine heilsame Rekonvaleszenz – und daß es beim Schloß nicht nur bei der barocken Hülle bleibt, sondern die Form mit dem noch zu klärenden Inhalt in Deckung gerät.“
Doch genau dieses potenzielle Verhältnis von Symbol und Inhalt sucht die Politik unausgesprochen zu lassen, so dass Marcus Schmidt im Juli 2007 der Jungen Freiheit bemerkte: „Es war auffallend wie sehr Tiefensee bis auf diesen einen Patzer darauf bedacht war, bei seiner Vorstellung des Kabinettsbeschlusses zur Bebauung des Schloßplatzes in Berlin den Eindruck zu vermeiden, bei dem offiziell „Humboldt-Forum“ getauften Bau handele es sich um den Wiederaufbau der Hohenzollernresidenz.“
Man hat krampfhaft versucht, das Hohenzollern-Schloß zum Humboldt-Schloß oder gar Humboldt-Forum umzutaufen. Und so soll dann auch die Infobox zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses Humboldt-Box und nicht etwa Schloß-Box oder gar Hohenzollern-Box heißen. Das ist ganz gezielte Sprachpolitik. Als während der Vorbereitungen hierzu ein Name gesucht wurde, schrieb der Leiter der Architekturwerkstatt des Berliner Senats, Ephraim Grothe in einer internen Mail: „Gesucht wird immer noch nach einem Titel, der das Wörter Zwischennutzung und Schloß vermeidet.“ Also selbst die Rede vom Schloss sollte vermieden werden, von den Hohenzollern ganz zu schweigen. Doch mit derartigen Auslassungen und Verdrängungen ist den Schlossgespenstern kaum beizukommen, die durch die Rechte Szene Deutschlands spuken.

Anlässlich der Wettbewerbsentscheidung schreibt Christian Dorn am 28.11.2008 in der Jungen Freiheit: „ Die zukünftige Bestimmung des Schlosses als sogenanntes „Humboldt-Forum“ ist unbefriedigend, weil sie dem Symbolcharakter des Stadtschlosses nicht gerecht wird und ihren Makel, eine Notlösung gewesen zu sein, einmal mehr unter Beweis stellt. Nach bisherigen Planungen will man hier drei Einrichtungen unterbringen: Neben der Landesbibliothek und den wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität sollen vor allem die bislang in Dahlem ansässigen außereuropäischen Museen ihren neuen Platz finden. Wenn aber der Publizist Wolf Jobst Siedler, der sich in der Schloßfrage unendlich verdient gemacht hat, mit seinem Diktum recht behalten soll, dem zufolge das Schloß nicht in Berlin lag, sondern letzteres selbst sich im Schloß symbolisierte, ist es – vorsichtig formuliert – rätselhaft, warum hier eine museale Heimstatt für fremde Kulturen zu schaffen sei.“
Noch deutlicher wird der Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein, im April 2007: „Natürlich ist die Nutzung des Schlosses für die „außereuropäischen Sammlungen“ der Stiftung Preußischer Kulturbesitz politisch korrekter Humbug und ein Kotau vor dem Zeitgeist – ebenso wie der Wunsch des Ministers, die Gestaltung des Inneren müsse unbedingt das ‚Spannungsverhältnis zwischen dem 19. Jahrhundert und dem wechselvollen 20. Jahrhundert widerspiegeln‘. Vielleicht ist endlich einmal Schluß mit dem ‚Gebrochenen‘.‘ ‚Verfremdeten‘, ‚irgendwie Anderen und Neuen‘. Das Schloß ist das Herz des preußisch geprägten Deutschland. Es wird wieder zu schlagen beginnen.“ Bereist zwei Monate zuvor bedauerte Patrick Neuhaus in der Jungen Freiheit im Kontext der Schlossdebatte: „Zahllose Tugenden wie Verfassungstreue, Pflichtbewußtsein, Opferbereitschaft, Liberalität und Bürgersinn, also die Bereitschaft der Regierenden wie der Regierten zum Dienen, entspringen zwar unmittelbar dem preußischen Geist, stellen jedoch keinen politischen Konsens, geschweige denn eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit dar. Dieser Konflikt zwischen kulturpolitischem Auftrag einerseits und gesellschaftspolitischer Realität andererseits spiegelt sich in exemplarischer Weise in den Diskussionen um die preußische Architektur wider, wie sie im Rahmen der Rekonstruktion des Stadtbildes in Berlin oder Potsdam geführt werden. (…)Der Prozeß der Realisierung des Schlosses zeigt, daß es trotz der jahrzehntelangen Beschäftigung mit Preußen, etwa über die staatlichen Stiftungen, notwendig war, zunächst in kleinen Schritten ein gesamtgesellschaftliches Gespür dafür zu entwickeln, womit man es an dieser Stelle, an diesem preußischen Ort zu tun hat: mit einer Kultur, die die DDR überstanden hat. Und der Prozeß dauert an. Er zeigt aber auch, wie ein preußisches Thema sich als nationales Thema erweisen kann und Menschen in einer Vision zusammenbringt.“
Auch wenn man natürlich diesen rechten Ideologen und Demagogen in ihrer Argumentation nicht Folgen mag: So sinnentleert wie es die bisherige Schlossdebatte vorgauckelt, wird eine Schlossrekonstruktion nicht zu haben sein. Die Schlossfassadenrekonstruktion ist – wie der britische Guardian zu Recht schreibt – auch eine Wiederherstellung der Residenz des Kaisers Wilhelm II. Und hierzu wird man sich verhalten müssen. Dass Rekonstruktionen nicht unabhängig von ihrem Symbolgehalt erfolgen, zeigte die Debatte um den Wiederaufbau des Frankfurter Goethehaus in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Hier wurden die edlen humanistischen Werte Goethes und sein offener Weltgeist beschworen, um den Wiederaufbau zu begründen. Doch welche Geister will man mit dem Wiederaufbau der Berliner Schlossfassaden beschwören?

Die Frage wird mit dem geplanten Einheitsdenkmal noch prekärer. Denn warum soll dieses auf dem Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals errichtet werden? An welche nationale Traditionen will man hier anknüpfen?

P S: Zur Jungen Freiheit siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Junge_Freiheit. Mit York Stuhlemmer und Goerd Peschken haben zwei Vertreter des Fördervereins Berliner Schloss e.V. der Jungen Freiheit ein Interview gegeben.

Philipp Oswalt

 

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