Unwahr?

Die Behauptung, Rechte hätten Einfluss auf das Stadtschloss gehabt, sei falsch, behaupteten Hartmut Dorgeloh und Franco Stella am 22.4.2024 in einer Erwiderung auf ein Interview mit Philipp Oswalt, was kurz zuvor in der Berliner Zeitung erschienen war. Doch de facto widerlegen Sie gar nicht dessen Argumentation, die schon zuvor nach gründlichem Faktencheck auf Zeit-Online veröffentlich worden war. Philipp Oswalt legte in einem Brief am 30.4.2023 an Stiftungsdirektor Hartmut Dorgerloh nochmals da, weshalb der Vorfwurf begründet und belegt ist. Der Wortlaut des Briefes ist wie folgt:

Sehr geehrter Prof. Dr. Dorgerloh,

in Ihrem Gastbeitrag in der Berliner Zeitung von letztem Dienstag behaupten Sie, meine Äußerungen zum Berliner Schloss seien „unwahr“, „falsch und zutiefst unangemessen“.

Ihre Argumentation belegt dies aber nicht. Zum Teil geht sie an meiner Darstellung vorbei, zum Teil stellt sie nachweislich falsche Behauptungen auf. So behaupten Sie: „Aber keine und keiner dieser mehr als 40.000 privaten Spender:innen – und auch der Förderverein Berliner Schloss nicht – hat Einfluss auf die Gestaltung und Architektur genommen.

Das ist nicht wahr. Drei konkrete Beispiele belegen dies ganz konkret:

  1. Das Eckrondell. Am 11.4.2012 erschien hierzu ein Artikel in der Berliner Morgenpost mit dem Titel „Anonymer Geldgeber finanziert neues Eckrondell“. Dort heißt es: „Der anonyme Spender hat das Rondell initiiert.“ Und: „Stark umdisponieren müssten die Architekten wegen dieser Änderung nicht, so Bernhard Wolter von der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum.“
  2. Die Große Kartusche des Eosanderportals. Der Bundestag hatte 2002 die „Wiedererrichtung der barocken Fassaden“ beschlossen. Der Förderverein hatte dann seinen Vorsitzenden, den Architekten Rupert Stuhlemmer mit der Fassadenplanung hierfür beauftragt und diese als Sachspende an den Bauherren überreicht. Dieser machte die Fassadenrekonstruktion von Stuhlemmer wiederum zur Arbeitsunterlage des Architekturwettbewerbs, wo sie als „Entwurfsplanung“ des teilnehmenden Architekten überreicht wurde. Stuhlemmer entschied hierbei, auch die erst 1903 angebrachte Große Kartusche des Eosanderportals in die Zeichnung aufzunehmen, was eine recht freizügige Interpretation des Bundestagsbeschluss von 2002 darstellt und alles andere als zwingend war. Der Bauherr aber überließ dem Büro Stuhlemmer und dem Förderverein als Auftraggeber der Fassadenplanung diese Deutungshoheit.
  3. Optionale Bausteine: Wie schon der Begriff sagt, sind optionale Bausteine lediglich Möglichkeiten. Ihre Realisierung hing ab von dem Eingang von Spenden für diese, es lag also in der Hand der Spender, ob diese vom Bauherren eröffnete Option realisiert wird oder nicht.

Dass darüber hinaus der Förderverein Berliner Schloss e.V. als Lobbygruppe sich seit 1993 intensiv bemüht hat, Einfluss auf den politischen Meinungsbildungsprozess zu nehmen, und damit erfolgreich war, ist allgemein bekannt.  In meinem, Ihnen sicherlich bekannten Texten für Zeit-Online (4.3.2024), für den taz-blog (3.4.2024) und in meinem letzten Jahr erschienenen Buch habe den über die drei oben genannten Fälle hinausgehenden Einfluss der Spender auf das Projekt dargelegt und mit zahlreichen Quellennachweisen belegt, so dass ich darauf verzichten möchte, dies hier zu wiederholen.

Unzutreffend ist auch Ihre Behauptung, dass sich die internationale Expertenkommission die Kuppel „explizit vorstellen konnte“. In den Empfehlungen der Expertenkommission wird die Frage einer möglichen Rekonstruktion der Kuppel nur einmal erwähnt, und war ex negativo. Im Abschlussbericht heißt es auf S. 41, dass die Kommission für Ostfassade des Schlosses, den westlichen Schlosshof (Eosanderhof) noch die Kuppeln „keine Rekonstruktionsempfehlung abgegeben“ hat. Weiter heißt es „Was hier möglich und tunlich ist, muss die Arbeit am architektonischen Entwurf klären“. Dass Ihre eigenen Präferenzen hier offenkundig andere waren und sind, rechtfertigt es nicht, ihre Meinung der Expertenkommission unterzuschieben.

Auch möchte ich an Empfehlung 34 der Expertenkommission erinnern. Diese lautete: „Die Rekonstruktion einzelner Teile des Palastes der Republik (z.B. des Volkskammersaals) soll – vorbehaltlich der architektonisch-gestalterischen Einbindung, der technischen Machbarkeit und der Nutzungsmöglichkeiten – überprüft werden. Die auf diese Weise entstehende Verbindung kontrastierender Teile aus verschiedenen Epochen könnte eine angemessene Veranschaulichung der Wechselfälle deutscher wie Berliner Geschichte bedeuten.“ Dass diese Empfehlung vom Bundestag mit seinem Abrissbeschluss im Jahr 2003 weitgehend verworfen und bald vergessen wurde, war der erste Schritt der Radikalisierung des Projektes, die Sie in Abrede stellen.

Sie nehmen für sich in Anspruch, sich von Personen mit rechtsextremen Positionen „aufs Schärfste“ distanziert zu habe. Meine Wahrnehmung bestätigt dies nicht. Seit über zwei Jahren ist Ihnen die Problematik bekannt. Sie haben zu der Aufklärung dieser Probleme nichts beigetragen, sondern diese behindert. Sie haben verschleiert, dass Spenden in einem Umfang von 25 Mio. € auch von Herrn Raue nicht geprüft werden konnten, da selbst dem Förderverein die Herkunft dieser nicht bekannt ist. Sie haben das Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte zu Bödecker dem Stiftungsrat und der Öffentlichkeit monatelang vorenthalten und dessen Ergebnisse beschönigend und verfälschend dargestellt.

Sie arbeiten mit einem Förderverein zusammen, der sich von keinem seiner rechtslastigen Spender, Mitglieder und Funktionäre öffentlich distanziert hat, dessen Vorsitzender Holocaustleugung für eine Frage von Meinungsfreiheit ausgibt und der behauptet, dass ich den Antisemitismus von Herrn Bödecker mit gefälschten Zitaten überhaupt erst erfunden habe. Bereits zwei Gerichtsentscheidungen haben ihm verboten, diese Unwahrheiten, die auch in ihrem Haus verbreitet worden sind, zu wiederholen. 

Und wie verhalten Sie sich hierzu? Auch sie versuchen den Anschein zu erwecken, dass ich Unwahrheiten verbreite, weil Ihnen meine Kritik unangenehm ist. Im November 2022 äußerten Sie. „Der in der Presse geäußerte Verdacht, der Förderverein habe von rechtsextremen Personen oder Institutionen Großspenden angenommen, hat sich nicht erhärtet.“ Von der rechtslastigen bis rechtsextremen Presse ist diese Behauptung freudig aufgegriffen worden und galt als offizielle Bestätigung, dass meine Kritik unzutreffend gewesen sei. Dabei ist keine meiner Darlegungen des Ihnen ein Jahr zuvor überlassenen 16-seitigen Dossiers widerlegt worden und in unserem Gespräch hierzu im April 2023 wollten Sie Ihre Aussage vom Vorjahr nicht auf meine Darlegungen bezogen verstanden wissen.

Nun reden Sie explizit davon, dass ich Unwahre behaupte. Ihre Darlegungen sind zwar nicht stichhaltig, aber wurden in dem Rechtsstreit mit mir vom Förderverein bereits freudig aufgegriffen, um meine Position in Misskredit zu bringen. Der Förderverein kann sich nach den beiden bisherigen Urteilen zwar wenig Hoffnung auf einen Erfolg machen, gleichwohl hat er angekündigt, bis zum Bundesgerichtshof zu gehen. Dass er damit das Kostenrisiko auf ca. 50.000 € treibt, kommt im entgegen. Denn während er diese Kosten aus seinen Spenden bestreitet, muss ich hierfür privat aufkommen, und so fährt er hier eine einer SLAPP (strategic lawsuit against public participation) vergleichbare Strategie, um mich als Kritiker einzuschüchtern, der die strukturellen Verbindungen des Fördervereins ins rechtsradikale Milieu aufgedeckt hat. Und weil Ihnen diese Verbindungen Ihres Kooperationspartners unangenehm sind, versuchen Sie, diese in Abrede zu stellen und zu verschleiern.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Philipp Oswalt

CC: Claudia Roth, Staatsministerin/ Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
CC: Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus.
CC: Franco Stella

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